Die Propaganda gegen Muttermilch
Über die Macht internationaler Konzerne und ihre Auswüchse
Wie irgendwo hier schon einmal auf dem Blog erwähnt ist Muttermilch das einzige Lebensmittel, von dem man ein Leben lang überleben könnte, ohne irgend ein anderes hinzuzufügen.
Zahlen aus Untersuchungen in Bayern belegen, dass Kinder, die mit Babypulver aufgezogen werden ein bis zu 4x höheres Risiko auf Übergewicht im späteren Leben haben als jene, die bis anderthalb Jahre gestillt worden sind. Somit ist Muttermilch ein wichtiger Präventionsfaktor gegen die grassierende Übergewichtsepidemie.
Das weiss auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die zieht Muttermilch der Ersatznahrung vor und besteht mindestens im ersten halben Jahr auf das Stillen.
Wer heute eine beliebige Pulvermilch-Herstellerseite aufruft, wird einen immer ähnlich lautenden Hinweis lesen können, das Stillen das Beste für das Baby sei.
Dieser Hinweis auf den Webseiten geschieht nicht unbedingt freiwillig, eher widerwillig.
Massgabe für die Werberichtlinien ist eine EU-Richtlinie (2006/141/EG, 22.12.2006), die den Herstellern klare Vorgaben machen, was die Werbung zur Ersatznahrung darf und was nicht. Grundlage für diese EU-Entscheidung war der Internationale Kodex zur Vermarktung von Muttermilch-Ersatzprodukten der WHO, zu dem man hier interessantes in den FAQ nachlesen kann. Die war damals schon eine Reaktion auf aggressive Werbestrategien, die Müttern einreden sollte, Muttermilch zu geben wäre etwas Schlechtes, Pulvernahrung sehr viel besser.
Jetzt ist das natürlich dem Milliarden-Geschäft der Hersteller wie Hipp, Danone, Nestlé und Co natürlich nicht zuträglich. Klar, es hindert ein wenig. Vor allem ist der Weg schon dann besonders steinig, wenn man auch nur Ersatznahrung zur falschen Zeit schon zufüttert. Die Kleinen sind dann nur noch schwer für das natürlichste Lebensmittel der Welt zu begeistern.
Immer, wenn irgendwo viele Milliarden verdient werden, dann steigt damit natürlich auch Macht und Einfluss derer, die diese Umsätze einsammeln.
Wie weit dieser politische Einfluss nun geht, konnten wir in der letzten Woche beobachten.
Im Frühjahr wollten hunderte von Delegierten bei der UN-Weltgesundheitsversammlung die Erkenntnisse um die Vorzüge der Muttermilch in einer Resolution einbringen.
Federführend waren 6 Länder, eines davon war Ecuador.
Die US-Offiziellen versuchten allerdings, weitreichende Passagen des Textes zu verhindern oder zu verwässern. Unter anderem ging es um Textpassagen wie
"[...]Regierungen dazu auffordern, das Stillen zu schützen, zu fördern und zu unterstützen" und
"die Förderung von Lebensmittelprodukten zu beschränken, von denen viele Experten sagen, dass sie schädliche Auswirkungen auf junge Kinder haben".
Das, so die US-Delegierten, ginge gar nicht und sei abzuändern.
Der Änderungswunsch wurde abgewiesen.
Und jetzt kommt's:
Als das nicht funktionierte, begannen die US-Delegierten Druck auf jene Länder auszuüben, deren wirtschaftliche Macht geringer war, als Erstes bedrohte man Ecuador. Denen wurde recht unverblümt angedroht, dass man "wirtschaftliche Strafmassnahmen entfesseln würde und wesentliche militärische Hilfe zurücknehmen würde", sofern sie auf der Resolution bestünden.
Ecuador knickte ein.
Der anwesende Direktor der Interessenvertretung Baby Milk Action Patti Rundall meinte dazu:
"Was da vor sich ging, war gleichbedeutend mit Erpressung. Die USA nahmen die Welt als Geisel, und versuchten, nahezu vierzig Jahre des Konsens über den besten Weg die Gesundheit von Säuglingen und Kleinkindern zu kippen
- Patti Rundall, Direktor Baby Milk Aktion, UK
Am Ende verdanken wir es Russland, dass die Resolution dann doch noch fast im ursprünglichen Wortlaut eingebracht wurde und diese Erpressungsaktion scheiterte.
Dass dieser US-Vorstoss gerade jetzt kam, dürfte kaum ein Zufall sein.
Die US-Regierung, finanziert über Wahlkampfspenden von Milliardären und Grosskonzernen ist gerade unter Donald Trump vollkommen aus dem Ruder gelaufen.
Wesentliche Schlüsselpositionen im Kabinett, bei den Beratern und in anderen Regierungsfunktionen haben Trump und seine Leute mit Lobbyisten besetzt, der gerade zurückgetretene Scott Pruitt der Umweltagentur EPA ist mit seinen Skandalen da nur die Spitze des Eisbergs. Wer nach dessen Rücktritt auf Veränderungen hofft, wird enttäuscht, ersetzt wurde der Umwelt-Behörde-Boss durch einen Kohle-Lobbyisten.
Unter Trump haben diese Konzerne sozusagen die Blüte der Macht erreicht, und die Verquickung derer wirtschaftlicher Interessen mit internationaler Politik ist stärker denn je.
Kaum auszudenken, wenn jetzt die Freihandels-Mächte via TTIP schon so umgesetzt wären, wie das einst vorgesehen war.
Aber auch in Deutschland treibt der Kampf gegen die Muttermilch seltsame Blüten.
So gibt es eine wiederkehrende, sehr merkwürdige Empfehlung der Zahnärzte, deren kleine Patienten mit Molaren Inzisiven Hypomineralisation (MiH) bzw Kreidezähne oder Bröselzähne vorstellig werden.
Diese wird als "Babyflaschen-Karies durch Stillen" (kann man sich mal auf der Zunge zergehen lassen) missinterpretiert, und den Müttern wird dringend geraten, sofort das Stillen einzustellen.
Etwas Widersinnigeres und falsches kann man sich kaum Vorstellen.
Oder wie würden denn die Babys ausschauen in den Ländern, in denen der Zugang zu Ersatznahrung verwehrt oder zu kostspielig ist? Alle zahnlos...
Das allerdings ist mit einer MIH-Quote von aktuell 38% der Kinder unter 12 ein "Privileg" der Industrienationen.
Es bleibt dabei:
Muttermilch ist durch nichts zu ersetzen. Es gibt keine Überlegenheit von Ersatzprodukten und Mütter, die Probleme beim Stillen haben sollten sich in jedem Fall an kostenlose Helfer wie Vertreter der La Leche Liga oder die Hebammen wenden und gemeinsam mit ihnen versuchen, gleich zu Beginn den Stillprozess auf die richtige Bahn lenken.
Das beugt nicht nur Allergien vor, schont den Geldbeutel und sorgt für klügere Kinder, sondern erspart ihnen auf lange Sicht auch das Martyrium bei der Gewichtskontrolle.
Bis später.
Weiterführende Links:
Zugehöriger New-York-Times-Artikel
Deutsche Artikel:
Süddeutsche - Heilpraxis.net - RT Deutsch
Wikipedia: Babynahrung
Hilfe bei Stillproblemen: La Leche Liga