Mittwoch, 8. Juni 2016

Fest verankert

NachdenKKlich
Was Rechtschreibung und Telefon-Nummern 
mit dem Gewicht zu tun haben
Über die Schwierigkeiten manchmal loszulassen

Es gibt da einen Moment, der mich wiederkehrend über mich selbst wundern lässt.

Dieser Moment, wenn mich jemand nach meiner Mobilnummer fragt.
Ich muss dann immer erst in meinem eigenen Gerät nachschauen. 
Denn ich kenne sie nicht auswendig. Nicht mehr. 

Ich weiss noch meine allererste. 
Von damals, als die Minute telefonieren noch 2 DM gekostet hat. 
Als man noch belächelt wurde, wenn man mit so einem "Fritz-Wichtig-Radio" durch die Gegend spazierte. 

Und ich weiss sogar noch die von meiner längst verstorbenen Grossmutter.

Aber nicht mehr die aktuelle eigene.






Fast reflexartig neigt man dazu, solche Merkwürdigkeiten bei Erklärungsversuchen vorschnell dem Alter zuzuordnen. Aber das ist wohl falsch. 

Denn eigentlich bin ich gar niemand, der sich schwer tut mit "Dinge merken". 
Oft reicht das einmalige Lesen eines Artikels, ja selbst einer komplizierten Studie und ich habe die Fakten und Zahlen im Kopf.

Was also macht den Unterschied?

Nachdem ich darüber eine ganze Weile nachgedacht habe kam ich auf eine mögliche Lösung. Und ich habe sogar ein Wort dafür gefunden: 


Der Ermüdungsbruch im Hirn.

Aufgrund einiger Tarif- bzw Anbieterwechsel hatte ich in den letzten Jahren verschiedene Nummern, und während ich mir noch die ersten nach den Wechseln gemerkt habe ist irgendwann einmal unterbewusst das Gefühl entstanden, dass es sich gar nicht erst lohnt, die Nummer zu merken. Sie ändert sich ja sowieso bald wieder. 
Das war der Punkt, als ich aufgehört habe, mir die neue zu merken. 

Und es gibt noch einen zweiten Punkt, bei dem ich das an mir feststelle.
In der Schule haben sie uns Rechtschreibung beigebracht. 


In meiner Wahrnehmung als Kind waren diese Regeln etwas Unumstössliches. Unabänderlich richtig. 

So wie das physikalische Gesetz der Schwerkraft. 
Oder so wie ich meine Klassenlehrerin heiraten werde, wenn ich endlich gross bin.

Und ich war gut bei Diktaten. 
Ausser Flüchtigkeitsfehler war da nichts, was für Abzüge an der Note sorgen konnte.

Dann später kam auf einmal die Rechtschreib-Reform. 
Ich verstehe bis heute nicht, wieso man das nötig hatte. 

Aber auf einmal war diese feste Konstante in meinem Leben in Gefahr...

Nachdem ich mich kurz mit den neuen Regeln beschäftigt habe, die mir teilweise unsinnig und verwirrend vorkamen und es dann noch hiess eine Weile gälte beides parallel fasste ich meinen Entschluss: Ich bleibe beim Alten. Dem Richtigen. Dem Unumstösslichen.
Leckt mich doch am Arsch mit Eurer Reform!

Wenn Du es bis hier im Text geschafft hast magst Du vielleicht beginnen Dich zu fragen, was ich damit sagen will. Und was das den bitteschön mit Abnehmen zu tun hat?!

Ich glaube eine ganze Menge. 
Wenn man nur genau hinschaut. Nehmen wir das mal auseinander:


1 - Die Prägung
In der Wissenschaft gibt es kaum noch eine Frage über den Umstand, dass die ersten 1000 Tage einen elementaren Einfluss haben auf unsere Essgewohnheiten später. Und auch die folgenden Jahre tragen entscheidend dazu bei. 
Ein guter Grund übrigens, warum eine kluge Mutter dem Märchen nicht folgt vom "das wächst sich noch raus" und "die haben später auch noch Zeit, sich zusammenzureissen, jetzt sollen sie das Leben (und den Zucker) geniessen".
Die Wahrheit ist doch, dass die meisten von uns der Auffassung sind, dass es nirgends so gut schmeckt wie bei Muttern. Prägung eben. Genau.

2 - Die Dogmen
Eine Zillion Mal habe ich in meinem Leben den Satz gehört: 
"Dick? Dann musst Du Dich halt mehr bewegen!" 
Oder: "Kein Wunder, soviel Fett wie da dran ist. Da musst Du ja zunehmen!"
Oder: "Milch ist gut. Wegen dem Kalzium."
Oder: "Spinnst Du? 2 Eier... Aber das Cholesteriiiiin....!"
Oder: "Dieser Schokoriegel ist gesund. Denn er enthält das Beste der Milch."
Oder: "Wer nämlich mit H schreibt ist dämlich"

Klingt nach unumstösslichen Wahrheiten, nicht wahr? 
Hat man so oft gehört oder gelesen... Das MUSS stimmen. 

3 - Hin und Her
Ein wunderbares Beispiel für diesen Punkt ist Kaffee. Mal ist er gesund, dann wieder nicht.
Mal entzieht er dem Körper Wasser, dann wieder nicht. Mal kann man 8 Tassen am Tag trinken, mal sollte man nicht über 1 gehen, und die möglichst noch koffeinfrei. Also Sex ohne Orgasmus... 

Ähnlich ist das auch mit anderen Lebensmitteln. 
Heute ein Hype, morgen verteufelt. Heute gesund, morgen krebserregend.

Einer der häufigsten Dinge, die die Leute dann sagen ist "... dann kann man ja bald gar nichts mehr essen!" - Oder: "Das ist doch ein Scheiss. Morgen erzählen sie wieder, dass alles anders ist." Und: "Ich bleib bei dem, was ich kenne." 
Fallback auf den Ursprung. Die Prägung.

Zurück zur alten Rechtschreibung. Reformiert Euch doch selbst.


4 - Manipulation
Was für ein wunderbares Mittel, um manipuliert zu werden: 
Man muss also Unwahrheiten nur oft genug behaupten, oder unliebsame Wahrheiten nur stetig mit Gegendarstellungen befeuern. Bis es zum Ermüdungsbruch kommt. 
Und dem fest eingebauten Fallback auf den alten Status Quo.

Zuletzt konnte man das bei der Frage erleben, ob Glyphosat denn nun krebserregend ist oder nicht. Und auch bei der Diskussion um Zucker ist das nicht sehr viel anders.


Kommen wir also zu einem entscheidenden Punkt:

Ob man sich eine Telefonnummer nun merkt, oder nicht - ist wurschtegal. 
Man kann die nachschauen, auch wenn die Situation jedes Mal ein klein bisschen peinlich ist. Mir zumindest.

Ob man sich "in acht nimmt" oder "in Acht nimmt" - WHO CARES? Hauptsache man ist vorsichtig. Wo es wirklich nötig ist. Egal ob mit grossem oder kleinem A.

Wenn man allerdings wirklich Abnehmen als ernstgemeintes Ziel formuliert, 
dann sollte man eine wichtige Wahrheit verstehen:

Da ist ein bestimmtes Verhalten, eine bestimmte Gewohnheit oder eben auch Prägung, die diesen Zustand herbeigeführt hat. Um den Zustand zu verändern, muss man die Gewohnheit verlassen. Das Verhalten ändern. Bereit sein, gegen die Prägung anzukämpfen. 

Denn nur das Verlassen des bisherigen Weges kann ein anderes Ergebnis bringen.

Und da ist es sinnvoll die Mechaniken 1 - 4 verstanden zu haben.
2 - 4 kann man mit Logik und klarem Menschenverstand begegnen. 
Und sie langsam durch zutreffendes Wissen ersetzen. 
Oder sein Wissen überhaupt erst schaffen und nach und nach auffüllen.

Punkt 1 ist meiner Meinung nach der Schwierigste. 
Eine Prägung zu überschreiben ist mit dem grössten Kraftaufwand verbunden. 
Und viel eiserner Disziplin. Standhaftigkeit. Und festem Willen.
Und gerade dieser Punkt wird auch gelegentlich für einen Rückfall sorgen. 

Allein - man hat es in der Hand, wie intensiv oder wie lange dieser Rückfall dann andauert. 
Und ob man gar sein Ziel dafür aufgibt. Und alle Mühen davor umsonst waren.


Die Standards von heute sorgen bei über der Hälfte der Bevölkerung für ein stetiges, andauernd wachsendes Plus auf der Waage. Der grösste Teil der Empfehlungen ebenfalls. Und sie werden nicht besser, wenn man sie auch noch so oft wiederholt. 

Die Lebensmittel selbst haben oftmals die gleichen Namen wie vor 30, 40 Jahren als die Welt noch in Ordnung war. Aber die Zusammensetzung hat sich verändert. 
Zutaten sind anders, Inhaltsstoffe verändert.

Am Ende sollte man sich an dem orientieren, was zählt: Erfolg. 

Wer an sich feststellt, dass er mit mehr essen auch noch abnehmen kann - wie das bei uns in der Gruppe ja häufig mit Erstaunen zur Kenntnis genommen wird - sieht doch, dass er auf einem guten Weg ist. Und wieviele neue Leben haben wir bisher bei KK geschaffen? 
Es werden tausende sein. Das ist kein Zufall.


Zum guten Schluss
Bei zwei Dingen habe ich gelernt, dass sie eben doch nicht unumstösslich sind:

Eier haben eben doch keinen Einfluss auf den Cholesterin-Spiegel.
Und ich habe meine Klassenlehrerin doch nicht geheiratet.



Bis später.




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