Freitag, 28. Oktober 2016

Sie haben eine eigene Abteilung dafür

KKWissen
Sie haben eine eigene Abteilung dafür
und ich glaube, es wäre ihnen lieber, wenn ihr nicht davon wisst.


Neulich traf ich einen Mann auf einer Geburtstagsfeier.
Wir sitzen beieinander, ich höre ihm so zu und merke, dass er sich ein bisschen Sorge macht, was mit unseren Lebensmitteln so passiert. Das macht mich natürlich hellhörig. Klar. 


Wir kommen also ein bisschen ins Gespräch, er fragt, was ich so mache, ein Wort gibt das andere, und dann war ich erstmal für eine Weile sprachlos.

Zunächst einmal eines vorweg ausgeräumt.
Für mich ist der Mann über jeden Zweifel erhaben, was seine Schilderung betrifft.


Erstens hatte er schon das Lebensalter überschritten, in dem man sich mit Horrorstories wichtig machen muss, zweitens hatte er ganz offensichtlich wirklich eine Menge an Insiderwissen, das habe ich an den vewendeten Fachbegriffen bemerkt und drittens ist er schon von berufs wegen eher in die Kategorie "absolut glaubwürdig" einzustufen. 


Und was er erzählte betrifft gar nicht ihn selbst, sondern den Beruf - seiner Frau.


Die hat ebenfalls ein akademisches Studium hinter sich gebracht und arbeitet jetzt hier in einer Nachbarstadt bei einer ziemlich bekannten Menschen-Massen-Futter-Fabrik, deren Erzeugnisse ihr in der Fertigfutter-Abteilung von jedem Supermarkt findet.

Und sie arbeitet in einer ganz speziellen Abteilung des Konzerns. 

Die hat nur eine einzige Aufgabe:
Sie soll - nein, genauer - sie muss Wege finden, wie bestehende Produkte noch gewinnbringender gestaltet werden können. 





Mit anderen Worten: Bereits bestehende Rezepte sollen in ihrer Zusammensetzung so verändert werden, dass günstigere Zutaten das gleiche Ergebnis bringen, was den Geschmack betrifft. Ohne die Verkaufszahlen zu beeinträchtigen, bitteschön. 

Das bedeutet, der Gewinn wird gar nicht mehr wie man das vielleicht eher vermuten würde allein durch den Einkauf eines Unternehmens, geschickte Verhandlungen mit Lieferanten und die grossen Chargen bestimmt. 

Sondern tatsächlich betreibt der Konzern eine eigene relativ teure Abteilung, die bestehende "Erfolgs"-Rezepte hinsichtlich des Gewinns weiter "optimieren" soll. 

Und der Druck auf diese Abteilung ist ganz schön hoch. 
Klar - deren Erfolg oder Misserfolg ist ziemlich einfach zu messen. Jedes einzelne Produkt, dass von denen "bearbeitet" wird ist einzeln im Umsatz und Ertrag messbar.

Die Reihenfolge der Priorität für die Rezeptveränderung ist wie folgt:

Priorität A: günstigere Zutaten
Priorität B: gleicher oder besserer Geschmack


In Versuchsreihen dürfen ein paar Testesser ankreuzen, wie sie den Geschmack bewerten.
Und was durchgeht - geht durch.
Fertig.

Merkt Ihr, was da fehlt?!


Richtig. Über die gesundheitlichen Auswirkungen dieser Veränderungen macht sich niemand Gedanken. Abgesehen davon, dass sie natürlich kein Arsen reinpacken, was in der Menge die Angehörigen der Testesser doch ein paar Fragen stellen lassen würde sind die Proben natürlich viel zu klein, um irgendetwas daran festzustellen. 

Und natürlich äussern sich dann die echten Auswirkungen auf die Gesundheit der Kunden erst am realen Produkt auf dem Markt, viel später und ist durch die vielen anderen Nebenprodukte, die man so über einen längeren Zeitraum zu sich nimmt gar nicht mehr nachvollziehbar.

Und wenn man zwischen den Zeilen genauer hinschaut, dann hat das sogar Kalkül.
Wieder und wieder sagen Verbandssprecher und Lobbyisten der Lebensmittel-Industrie bei Stoffen, die infrage stehen, gesundheitliche Nachteile zu erzeugen ein und dasselbe:


Das muss man erst einmal nachweisen. Da könnte alles mögliche andere verantwortlich sein.

Wenn Ihr Euch also fragt, wieso all diese seltsamen Unverträglichkeiten, Allergien etc auf einmal mehr und mehr um sich greifen, dann habt diese Abteilung mal im Hinterkopf.


Denn irgendwie fängt dort alles an. Man kann nicht erwarten, dass man den letzten Tropfen Umsatz aus einem ohnehin schon nicht idealen Produkt herausquetscht, ohne dass das irgendwann den Punkt erreicht, wo das Folgen hat.

Und ganz offensichtlich haben wir - was den Umgang mit Lebensmitteln betrifft - diesen Punkt schon eine ganze Weile überschritten. Und ein Licht am Ende des Tunnels ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil.


Windows könnte das jetzt eigentlich ganz gut für uns zusammenfassen:


"Es ist ein schwerwiegender Systemfehler aufgetreten. Es werden einige Fehlerinformationen gesammelt, dann wird das System neu gestartet."
Wenn das nur mal rechtzeitig so der Fall wäre.
Aber das ist eben leider eine Gemeinsamkeit, die beide Systeme haben.

Der Kunde von heute ist nur noch der Betatester. Wie es ihm mit dem Produkt geht, interessiert heute in der immer zynischer werdenden Managerwelt niemand mehr.

Nur - bei einem geht es um Eure Gesundheit.



Bis später.



An die Leute, die in solchen Abteilungen arbeiten:
Seid doch mal ehrlich: Tief im Innern wisst Ihr, dass das alles ein Spiel mit dem Feuer ist. Ein paar von Euch machen das um ein Auskommen zu haben, nicht mehr und nicht weniger. Und ein paar von Euch haben noch so etwas wie ein Gewissen. Schreibt mich doch mal an. Diskretion ist selbstverständlich. Ihr verliert Euren Job, wenn Ihr öffentlich macht, was Ihr tagtäglich seht. Ich - nicht.






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