Sonntag, 31. März 2013

Der innere Schweinehund: Ein Plädoyer...

Der Wecker klingelt, wir müssen früh raus. 
Eine leise Stimme flüstert ins Ohr "Hey, bleib doch noch liegen".

Wir hatten Gäste am Wochenende, es waren noch ein paar süsse Schlemmereien übrig, zu schade um wegzuwerfen... Als wir dann in den nächsten Tagen auf dem Sofa sitzen, flüstert es leise: "Hey, da sind noch ein paar MMs in der Schublaaaahaaaade..."

Wir sind woanders zu Besuch, die anderen essen ein wunderbares Eis. Ein paar mitleidige Blicke begleiten die leise Stimme, die da sagt: "Hey, quäl' Dich nicht weiter, ein paaaaar Kugeln Eis werden schon nicht schaden..."

Die Turnschuhe schimmeln im Vorraum vor sich hin, weil immer dann, wenn man sich gerade mal wieder aufraffen will eine magische Kraft uns mit aller Macht auf dem Sofa festhält und uns ins Ohr flüstert: "Jaja, mach morgen, heute ist es viel zu kalt. Und überhaupt."

4 von vielen anderen möglichen Gelegenheiten, die wir alle so oder so ähnlich kennen, erlebt haben oder sicher noch erleben werden.

Aber - wer spricht da eigentlich zu uns?! 

Viele nennen es den inneren Schweinehund.
Dieser kleine Mistkerl. Hat uns so im Griff...
Wo kommt er überhaupt her?
Warum hat er immer wieder soviel mächtigen Einfluss auf unser Leben?
Den muss man doch irgendwie bekämpfen können?

Diese Fragen möchte ich mir heute einmal beantworten. Und Euch.

Und enden mit einem Plädoyer für den kleinen Kerl. Aber der Reihe nach...

Verführerisch, fies, treu, süss:
Der innere Schweinehund
(Illustration und Copyright: T.Urso)
Wo kommt er her?

Ich glaube, viele von uns unterschätzen einen wesentlichen Teil unserer Persönlichkeit enorm: Das Unterbewusstsein.
Und ich glaube daran, dass unsere Persönlichkeit - und das Unterbewusstsein ebenso - sich aus ein paar ganz einfachen Komponenten zusammensetzt:
- die Erziehung, die wir geniessen
- die Umgebung, in der wir aufwachsen 
- das Umfeld in dem wir leben 
und, und das ist wesentlich: 
- Die guten und schlechten Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen.

Irgendwo da dazwischen entsteht der kleine Mistkerl, der uns den Rest unseres Lebens beeinflussen und begleiten wird.

Vieles von unserer Erziehung ist ausgelegt auf das "Lob und Tadel"-Prinzip, auf "Belohnen und Bestrafen".G
ut und Böse wollen klar getrennt sein. Gutes wird hingenommen, Böses bekämpft. Vermutlich gerade deshalb haben wir nicht so viel mehr im Repertoire. Aber ob das so richtig ist? Fragt Euch das bitte mal...

Vermutlich finden wir den kleinen Kerl deshalb teilweise süss, weil ein grosser Teil von ihm seine Ursache schon in der Kindheit zu haben scheint. Das Trotzige, Verführerische.
Hach, diese grossen Kulleraugen, mit denen uns ein Kind weich macht und um den Finger wickeln kann. Und diese Unschuld...wenn das Kind gerade den neuen Flatscreen mit Alpina-Weiss nach Gusto neu verziert hat.


Aber wenn wir mit uns selbst in dem "Belohnen und Bestrafen"-Prinzip verharren, dann haben wir ein grosses Problem: Früher haben wir mehr oder weniger Konsequenzen zu erwarten gehabt, wenn wir ihm nachgeben.

Es wurde geschimpft, wenn wir unser Zimmer nicht aufgeräumt haben, wir wurden schlecht benotet, wenn wir lieber mit unseren Freunden gespielt haben als zu Lernen, wir mussten Nachsitzen oder Strafarbeiten erledigen, wenn wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben, weil es eben auch mal andere Dinge gab, die so viel wichtiger waren.

Aber entschuldigt mal: wer bitte will uns jetzt noch mit Konsequenzen kommen? Wir sind erwachsen. Hallo?! Nachsitzen? Strafarbeiten? Naja, im Job gibts ne Abmahnung, wenn wir uns was Dickes zu Schulden kommen lassen. Und unser Partner verlässt uns vielleicht, wenn wir dauerhaft herumschlurfen oder gar eine(n) anderen zwischendurch mal toller finden.
Aber sonst!? Wen kümmerts denn schon, ob wir uns die Cola reinpfeifen, den Marsriegel knacken oder löffelweise weissen Zucker in den Milchkaffee kippen? Oder die Laufschuhe in der Ecke schimmeln und Biotope ausbilden, mit denen Wissenschaftler Jahre freudig beschäftigt wären?

Konsequenzen? Pah. Fehlanzeige! 

Ja, klar, wir bekommen Schwimmringe, die sich nach dem Baden nicht mehr so einfach abmachen lassen, wie die damals aus übelriechendem China-Plastik.

Und vielleicht verlässt uns der Partner dann, oder wir finden gar nicht erst einen.
Weil die Natur uns vor allem nach gesunden Menschen an unserer Seite suchen lässt.
Mit denen wir gesunde, starke Kinder haben könn(t)en.


Aber direkt erkennbare Konsequenzen? Nein. Ich sehe keine. Ihr?!

Und das ist der Punkt, an dem wir anfangen sollten, neu zu denken.
Was heisst denn "konsequent sein" anderes, als sich sich Konsequenzen einfach selbst bewusst zu machen? Und sich dieser Konsequenzen bewusst zu verhalten?

Schaut mal, wenn Ihr den KK-Pfad verlasst, weil eine vermummte Chipstüte vollkommen überraschend aus dem Gebüsch hüpft und Euch mit vorgehaltener Wumme an der Nase förmlich zwingt, sie aufzuessen. Wer sollte Euch bremsen? Wenn nicht Ihr Euch selbst?
Weil Euch bewusst ist, dass die Erreichung Eures Wunschgewichts ganz sicher nach hinten verschiebt? Wer sollte das bremsen, wenn nicht der erwachsene Teil in Euch, der stärker sein muss, als das Kindermonster Schweinehund!?



Warum hat er überhaupt so einen grossen Einfluss auf unser Leben?
Weil er uns behindert. 


Wir erreichen den Zug nicht rechtzeitig, wenn wir länger liegen bleiben, als es der Fahrplan zulässt. 
Wir verspäten uns zu Verabredungen, weil wir ihm nachgeben - und stossen damit andere vor den Kopf. Der ist aber auch süss, der kleine...
Wir demotivieren uns selbst, wenn alle anderen Wochen-Ergebnisse von 1 oder 2 kg in der Gruppe veröffentlichen, wir aber bestenfalls gleich geblieben sind, weil sich dieses fiese Stück Sahnetorte hinterrücks anschlich und uns doch eben gerade in den Mund sprang, als wir eigentlich nur ermüdet gähnen wollten...

Wir erreichen unsere Ziele nicht. Oder später. Wegen dem Mistviech in uns.

Ok. Feind erkannt. Wie bekämpfe ich ihn denn nun am Besten?
Am Besten gar nicht. Überrascht?!

Dann lasst es mich versuchen zu erklären...

Der Kerl steckt in uns. Ob wir wollen, oder nicht. Und ist damit ein Teil von uns, der zu uns gehört. 


Klingt es nicht ein bisschen widersinnig, wenn man sich selbst bekämpft? 
Klingt das nicht nach .... verschwendeter Energie?

Was wäre, wenn wir uns den Kerl einfach zum Freund machten? Akzeptieren, dass er da ist? 

Lasst ihn uns adoptieren. Ein Bild geben, einen Namen. Rüdiger, Piggel, oder Klaus-Konrad.
Wenn Ihr ihn Euch visualisiert und einen Namen gebt, dann habt Ihr es leichter, ihn zu erkennen, wenn er mal wieder flüstert und mit ihm umzugehen.

Lasst uns über ihn Schmunzeln, wenn er mal wieder flüstert.
Streichelt ihm über die Wuschelmähne, wenn er sich bemerkbar macht und gebt ihm seine Portion Liebe, die er so dringend braucht, in dem Ihr ihn ernst nehmt.

Aber lasst uns diesen Kindteil in uns konsequent in die Schranken weisen, wenn er verdammt nochmal unser Leben in einer Weise beeinflusst, die eben nicht hinzunehmen ist. 
Weil wir ein Ziel erreichen wollen und er es uns so viel schwerer macht.

Und wir niemand anderen haben, ausser uns selbst, der konsequent mit uns ist.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Lieber NicoDaVinci!

Ich bewundere deinen Blog! Die Art wie du schreibst, und auch worüber!
Habe selbst vor etwa einer Woche mit 10wbc begonnen. Dein Blog war unter anderem auch eine große Hilfe für mich, die mich zu meinem Entschluss gebracht hat.
Mittlerweile schaue ich regelmäßig hier vorbei. Ich bewundere auch, dass du so viel experimentierst. Aus Kürbis mach Kartoffel, aus Karotten Nudeln, usw... :-)

Was ich dir eigentlich sagen wollte:
Bitte schreib weiter und bleib auch so erfinderisch! Du bist für mich (wie auch sicher für einige andere) ein richtiger "Motivationsschub" :-)

Ganz liebe Grüße aus Niederösterreich :-)
Stefanie

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