Mittwoch, 20. Mai 2015

Umdenken in Sachen Sicherheit - ein begründeter Vorschlag

KKWISS-Auflösung
Hintergrundwissen: Die Arbeit der FDA

Warum wir unsere Lebensmittelsicherheit am besten noch heute
abkoppeln und komplett unabhängig gestalten sollten


Heute geht es um die Lebensmittelsicherheit in den USA, die auf uns einen grösseren Einfluss hat, als das auf den ersten Blick scheinen mag. 
Ich beschreibe den Zustand, und was wir daraus für uns lernen sollten und müssen. 

Gleich vorweg: Ich mache das nicht als dumpfsinniges Behörden-Bashing, sondern ich habe versucht, die Situation zu analysieren, in der einige Zahlen und Fakten nicht mit dem zusammengepasst haben, was ich eigentlich von einer Supermacht erwartet hätte.





Was ist die FDA?
Die FDA (Food and Drug Administration) ist die amerikanische Behörde für Lebensmittelüberwachung und Arzneimittelsicherheit. 
Sie wacht über das Wohl und Wehe von rund 320 Millionen US-Bürgern.

Was macht die FDA?
Das Aufgabengebiet ist sehr umfangreich, so kontrolliert sie Wirksamkeit und Sicherheit von Arrzneimitteln für Mensch und Tier, und achtet darauf, das die Lebensmittel für die US-Bürger sicher sind. Nebenbei kümmert sich sich noch um die öffentliche Gesundheit im Allgemeinen und sorgt mit der Zulassung von Medikamenten, dass diese schnell an den Patienten gebracht werden kann, wo immer das nötig ist. 
Zusätzlich besuchen die Kontrolleure die Herstellungsanlagen der Pharmahersteller und schaut auch bei den Lebensmittelherstellern sporadisch nach dem Rechten.

Wie arbeitet die FDA?
Das ist alles sehr umfangreich, weshalb die Behörde in 2012 ca 13.500 Angestellte in Lohn und Brot hatte. 

In unserem KKWISS hatte ich nun die Frage gestellt, wie viele Lebensmittelkontrolleure im Dienste der FDA für die 320.0000.000 Menschen unterwegs sind. 

Die Antwort lautet: 2.000
(vgl. Deutschland - derzeit 2.300 bei 80 Mio Einwohnern)

Wem das jetzt wenig vorkommt, der liegt da gar nicht mal so falsch, denn das ist bei einem Staatengebilde dieser Grössenordnung deutlich zu wenig.

Und so sollte man sich auch nicht wundern, dass für Nordamerika jährlich eine Zahl von 48.000.000 an Krankheitensfällen gemeldet werden, die mit Problemen durch Lebensmittel in Verbindung stehen. 48 Millionen. 


Das heisst - statistisch gesehen - leiden 60% der Bürger einmal im Jahr an einer Krankheit, deren Ursache mit besserer Lebensmittelsicherheit zu vermeiden wäre. Uff...

Nun kommt die nächste Zahl: 3.000 dieser Erkrankungen verlaufen tödlich. 
3.000 Menschen s-t-e-r-b-e-n an unsicherem Essen. 

Nicht mitgezählt sind hier logischerweise die hundertausende, die aufgrund Folgeschäden durch die wenig gesunde typisch amerikanische Ernährungsweise wie Fastfood und Co, die zwischenzeitlich eine Übergewichtsquote von 70% geschaffen hat. 

Diese Gesundheits-Schäden werden auch dort noch nicht logisch verknüpft, was ich nach wie vor hier wie dort für einen massiven Fehler halte. 



Wie kann das sein? Woher kommt das?
Nun habe ich mich - wie Ihr vielleicht auch - gewundert, wie das möglich ist.
Warum bestehen in einem Land, das einen derart hohen technischen Standard hat, solche Schwierigkeiten bei der Lebensmittelsicherheit? 


Und warum man dort nicht etwas dagegen unternimmt. Denn das tut man nicht.


3000 Tote. Ohne zu politisch werden zu wollen, aber... 
wären das 3000 Terror-Tote, dann wäre der nächste Einmarsch irgendwo garantiert fällig. 

Können die nicht besser? Ist es ihnen - egal?


Schwierigkeiten, mit denen die FDA zu kämpfen hat


GELDMANGEL
Im Jahr 2014 sollten die 2.000 Kontrolleure 4.800 Einrichtungen kontrollieren. 
Eigentlich ist das schon eine verhältnismässig kleine Zahl für so ein grosses Land.

Tatsächlich aber besuchten sie sogar nur ein Drittel dieses selbstgesetzen Zieles.

Auf die Frage, wo das Problem liegt werden seitens der Verantwortlichen vor allem finanzielle Gründe genannt. Es mangle schlicht und ergreifend an der finanziellen Ausstattung.

Nach eigenen Angaben hätte die FDA für den Zeitraum seit 2011 bis heute ein Budget von 580 Millionen US-Dollar benötigt, um eine reibungslose Arbeit zu garantieren. 
Tatsächlich bekamen sie im genannten Zeitraum vom Kongress nicht einmal die Hälfte davon zugeteilt. 


FALSCHE PRIORITÄTEN
Es scheint also eine Frage der Priorität zu sein. 

Denn im gleichen Zeitraum war der Verteidigungsetat der USA bei rund 3.259 Milliarden (also 3,25 Billionen),  die 5 Billionen für die aktuellen Kriegskosten im Irak noch unberücksichtigt. Afghanistan ebenso.
Aber das kann man auch so schon mal ins Verhältnis setzen: 1 : 11.238.


Ich spare mir jetzt mal die Wertung "Die Fähigkeit, andere Menschen zu töten ist also 11.238 mal wichtiger, als Fähigkeit die eigenen Bürger vor Salmonellen und Co zu schützen."  - Ups. Doch nicht gespart. Sorry. Zurück zu sachlich.

Auch wenn ich mit Krieg oder mit solchen immensen Ausgaben dafür an sich tatsächlich nicht einverstanden bin - schreibe ich das hier nicht als Politikum.

Ich möchte vielmehr damit herausstellen, welche aktuellen Veränderungen in den USA in den letzten Jahren stattgefunden haben, die dieses Problem zumindest deutlich zu begünstigen scheinen. Und somit die Zuverlässigkeit der Arbeit der FDA merklich zu beeinflussen scheinen.


LOBBYISMUS
Es ist klar, dass man ein Sicherheitsproblem in einer Behörde hat, wenn man z.B. den ehemaligen Vizedirektor von Monsanto einstellt und ihn dann Themengebiete abarbeiten und entscheiden lässt, die Monsanto im Anschluss dann Milliardenumsätze garantieren. Das kann nicht gut gehen. Das ist nur einer der prominenteren Fälle, in der die Lobby dort in Form von schlechter Personalauswahl die Glaubwürdigkeit der Arbeit der FDA unterwandert hat. 

Was aber eine völlig andere Qualität der strategischen Einflussnahme der Industrie hat, und was einen sehr nachdenklich stimmen sollte ist, dass die Lobbyisten dort VERHINDERT haben, dass die FDA finanziell besser ausgestattet wird. 

Denn natürlich haben die Verantwortlichen der FDA um mehr Geld gebeten und auf den Missstand hingewiesen. Mehrfach. 
Aber jeder der fünf(!) Versuche, eine Budgetaufstockung zu erreichen wurde von den Lobbyisten erfolgreich verhindert. 

Ich hoffe fast meinen Blog lesen keine deutschen Lobbyisten, sonst gebe ich denen womöglich noch eine Idee an die Hand...

Diese Methode ist eine sehr subtile und gleichsam erfolgreiche Form der Einflussnahme: 
"Schiesse die Behörden finanziell handlungsunfähig, und sorge dafür, dass der Zustand so bleibt -  dann können wir unbehelligt Tun und Lassen, was wir wollen.
3000 Menschenleben!? Pffffffff..."



IRRSINN MIT BEISPIEL
Nur so sind denn auch derart seltsame Vorgänge zu verstehen, wie man mit dem Nachfolgeprodukt zum in Verruf geratenen Stoff Aspartam umgegangen ist.
Monsanto hat den alten Stoff nur leicht molekular verändert und neu patentiert unter dem Namen Neotame. 
Da dieser sehr ähnlich aufgebaut ist, erwarte ich von ihm die gleichen negativen Eigenschaften, die ich an Aspartam schon kritisiere. 
Und was macht die FDA!? Die verpassen Neotame sogar das offizielle BIOSIEGEL!!! 

Neotam wird bei uns in den kommenden Jahren eine immer grössere Rolle spielen und Aspartam nach und nach ablösen. In China bauen sie aktuell ganze Fabriken dafür.

Und bei uns scheint es nach dem aktuellen Stand der Dinge sogar nicht einmal in der Zutatenliste genannt werden zu müssen, weil es als Hilfsstoff deklariert wird. 
Soweit ich in Erfahrung bringen konnte ist das mindestens beim Einsatz in Medikamenten jetzt schon so festgehalten.

Falls man den Stoff meiden will, wird der einzige Anhaltspunkt wohl sein, dass beim Produkt irgendwo auf der Packung mit Sternchen ausgewiesen muss, dass es eine "Phenylalaninquelle enthält". Friss oder stirb! Und das am Besten unbemerkt.
Als neuer Mogelaufdruck ist dann wohl :"Ohne Süssstoff. *) Lt Gesetz" zu erwarten, wenn überhaupt.




Was müssen wir daraus lernen, 
was davon trifft uns, was trifft auf uns zu?


EFSA - Der europäische Counterpart
Ich will hier nicht um den heissen Brei herum schreiben. 
Die Anzahl der Lobbyisten, die bei der EFSA ein- und ausgehen geben mir ebensowenig Vertrauen in deren Arbeit wie die Tatsache, dass die eingeladenen Experten reihenweise genau von den Firmen Gelder erhalten, für die sie letzten Endes die gewogenen Entscheidungen treffen. 

Ist das Korruption? Entscheidet selbst. 
Sicher ist das System jedenfalls nicht. 
Die Wahrscheinlichkeit, dass in diesem Geklüngele der Verbraucher die Nachsicht hat ist einfach zu hoch. Ob das zeitnah änderbar wäre - ich weiss es nicht. Nötig wäre es jedenfalls.

Was aber jetzt GAR NICHT MEHR geht, ist, die ungesunde Praxis, dass die EFSA weiter blind die Entscheidungen der FDA übernimmt, ohne sie intensiv zu prüfen oder gleich eigene Untersuchungen anstrengt, in vollkommener Unabhängigkeit.

Auch wenn das mit der Übernahme der FDA-Entscheidungen vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten noch eine gute Idee gewesen sein mag, um Kosten zu sparen, ist das bei den heutigen Gegebenheiten heute ein absolutes Unding.


Wir müssen hier unabhängige eigene Recherchen fordern, und bitte gerne ohne die Experten, die am Tropf der Industrie hängen, und vor allem aber eines: TRANSPARENZ. 
Die mit Steuergeldern erlangten Daten und Entscheidungen sollten im Zeitalter des Internet offen für jedermann zur Verfügung stehen. Das wäre vernünftige nachvollziehbare Sicherheit. Alles andere ist Unsinn.


DEUTSCHLAND
Ich habe oben erwähnt, für uns in Deutschland stehen jeden Tag rund 2.300 Menschen auf, die versuchen, uns zu schützen. Ich habe zwar auch hier Anhaltspunkte, dass diese nicht immer ganz unbeeinflusst ihrer Arbeit nachgehen, aber eines scheint wenigstens zu funktionieren: 


Entweder haben wir tatsächlich keine Toten zu beklagen wie die 3000 in den USA - oder wir erfahren es nicht. 

Auch wenn die Zusammensetzung und Beschaffenheit vieler Lebensmittel nicht gerade gesund sind - wenigstens scheinen sie sicher.

Holzauge...
Mit dem aktuellen Umgang der wohl fehlerhaften Bewertung des Stoffes Glyphosat und der noch immer stattfindenden Verteidigung der Entscheidung der "Experten" unseres BfR (WHO: wahrscheinlich krebserregend vs BfR: unbedenklich) halte ich aber zumindest auch bei uns Wachsamkeit für eine gute Idee. Man kann sich schon fragen, ob sich da nicht nach und nach ähnliche Zustände bei uns entwickeln. Ebenso fragwürdig ist, warum unser Bundesminister Christian Schmidt trotz Warnungen des BfR einfach nicht handelt. 
So geschehen in Sachen Verbot von Energy-Shots.

Trotzdem: Wir scheinen sicherer.


ABER:
TTIP kann diese Sicherheit definitiv innerhalb weniger Tage komplett auf den Kopf stellen, denn dann haben wir bei uns Lebensmittel, die von der FDA, nicht von der EFSA oder unseren Bundesbehörden geprüft sind. Bei unverändertem Risiko der Sicherheitslage dort.
Ein weiterer Grund, das TTIP-Abkommen in der aktuell bekannten Form abzulehnen.


FAZIT

Wir müssen verstehen, dass man althergebrachte Verfahren, die irgendwann ihre Berechtigung hatten von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand stellen muss.
Denn es geschehen Dinge, die Gegenheiten verändern. 


Die EFSA kann sich nicht mehr blind auf die Entscheidungen der FDA stützen, weder offiziell noch inoffiziell. 

Und wir sollten ebenfalls wegkommen von der Praxis, dass die Hersteller selbst unter dem Stempel "Geheimsache" der EFSA die Daten anliefern, ohne dass diese sie tatsächlich auch ernsthaft überprüft. Falls das mehr Geld kosten sollte, wäre es zumindest gut angelegt.



SCHLUSSWORT

Ich will diesen Aufsatz mit einer wahren Geschichte beenden, die zeigt, wie amerikanische Unternehmenkultur in diesen Tagen aussieht. 

Ein CEO, also der Oberboss einer grossen Firma, wurde im Rahmen einer Anhörung von einer Kongressabgeordneten darauf hingewiesen, dass das Verhalten seiner Firma auf Kosten der Bevölkerung in bestimmten Punkten als illegal einzustufen sei. 

Seine Antwort nach kurzem Überlegen: 
"Na, dann verpasst mir doch eine Geldbusse. Ich kann es mir leisten."




Bis später.







Weiterführende Links:
Wiki FDA
Wiki EFSA

Wiki Lebensmittelkontrolleur (Deutschland)
Englischer Artikel über die finanziellen Probleme der FDA



Besonders interessant: 
Englischer Artikel, in dem medizinische Studien extern nachbewertet wurden
nachdem die FDA ihre Arbeit längst beendet hatte. Also quasi eine Nachkontrolle zu deren Arbeit, bzw Qualitätskontrolle - von der zuständigen Aufsichtsbehörde.

Die Ergebnisse sind....  bemerkenswert. 
In 78 Veröffentlichungen zu klinischen Studien wurden durch die Aufseher im Nachhinein teilweise massive Unstimmigkeiten nachgewiesen. Die FDA selbst hatte dies jedoch nur bei 3 der 78 entdeckt bzw vermerkt.

Hinweis: Das sind die Veröffentlichungen, nach denen dann Medikamente zugelassen werden. 
Und auf die die Firmen dann jahrzehntelang rückverweisen - alles sei hinreichend untersucht und von den Behörden bestätigt. Wir haben das andauernd, das auf solche Papiere verwiesen wird. Achtet da mal drauf...
Die Rohdaten sind zu diesem Zeitpunkt dann allerdings geheim und von niemandem mehr einsehbar. Betriebsgeheimnis. Nur um die Tragweite zu erklären, um die es hier geht, wenn es heisst: 75x mal daneben.... 


Was man als FDA in der Eile wohl mal eben übersehen kann?! 


Och - Kleinigkeiten... Hier zwei Auszüge: 

1) Aussage der Studie: Alle Patienten hätten Besserung verspürt. 
In Wahrheit wurde einem der Patienten 2 Wochen nach der Behandlung der Fuss amputiert. 

2) Ein anderer Fall: Die Forscher hatten Daten verfälscht - Ergebnis: 1 Patient tot.

Insider gehen hier nicht davon aus, dass es hier um Überforderung oder Unterfinanzierung ging..
Sondern Korruption. Rechtliche Folgen für die Verantwortlichen: Null.



Und hier noch einen netten, zum guten Schluss:
Videokommentar (englisch) zur Zulassung von Ketec, Sanofi
Bei der Überprüfung wurde noch während der Bewerbungsphase festgestellt, dass die klinische Studie, die der Pharmahersteller als Grundlage für die Zulassung angegeben hat.... gar niemals stattfand! Die Prüfer empfahlen darauf hin, dass die Zulassung des Antibiotikums aufgrund dieses Betrugsversuches zu verweigern sei. 

Und was macht der FDA-Kommisar? Richtig. Er lässt das Medikament zu.






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