Samstag, 25. Mai 2019

Ich hatte Unrecht. Es sind 5!

Eine Frage der Integrität
Über die Luftausbringung von Pestiziden in Deutschland
Die Ausnahmegenehmigung, die es nicht geben sollte

Vor ein paar Tagen hatte ich einen kleinen Disput mit einer (Hobby?)Winzerin.
Ich hatte einen Beitrag eines Weinhändlers geteilt, der sich kritisch über den Gebrauch von Glyphosat in Weinbergen äusserte. Sehr lesenswert, der Beitrag, übrigens.

Sie fand, die Darstellung in dem Bericht würde nicht der Realität in Deutschland entsprechen und postete ein paar schöne Fotos.

Ich rechnete ihr anhand einer industrienahen Studie vor - die eher freundliche Zahlen erwarten lässt - dass allein 2015 in Deutschlands Weinbergen über 1.000.000 Liter reiner Wirkstoff verschwunden sind.

Und dann stellte ich in einem Kommentar fest, dass im Ahrtal etwas per Luft ausgebracht wurde, und ein paar Tage später alles um die Reben gelb und braun wurde. 


Und zeigte ein Foto, der einen Hubschrauber mit Sprüheinrichtung in unguter Nähe zu Wohnhäusern zeigt.
Ich habe genug Integrität um einen möglichen Fehler zuzugeben. 

Nachdem ich diesen Fall näher recherchiert habe stelle ich fest, die zeitliche Übereinstimmung mit dem Absterben des Grüns um die Weinreben ist möglicherweise tatsächlich ein Zufall. 

Es ist tatsächlich gemäss einer amtlichen Mitteilung auch möglich, dass das Glyphosat einfach kurze Zeit davor von Land aus in die Weinberge eingebracht worden ist.

Meine vage Vermutung, da könnte Glyphosat vom Hubschrauber aus versprüht worden sein kann ich leider nicht belegen.
Aber am Ende zählt bei einer vernünftigen Berichterstattung nur eines:
Die Wahrheit. 





Und die Wahrheit ist - ich war nicht gründlich genug. 
Und lag tatsächlich falsch!
Dafür entschuldige mich in aller Form.

Denn: Es wird nicht ein wahrscheinlich krebserregendes Mittel direkt im Umfeld von Wohnhäusern, einer Schule und einem Kindergarten ausgebracht.
Sondern fünf!



Ich wusste, dass die Hubschrauberspritzungen vorab veröffentlicht werden müssen. 
Diese Veröffentlichung habe ich mir beschafft. 





Also tat ich das, war ich vor unserem Disput versäumt hatte. 
Und was ich am besten kann: Ich schaute näher hin.


Und so sieht das tatsächlich aus:

Aus der Luft gespritzt werden im wesentlichen Fungizide,
über dem konventionellen Teil zwischen dem

13.05. - 30.07.2019 in 8 Spritzungen,

über dem Ökö-Teil sind es zwischen dem 


13.05. - 17.07.2019 in 7 Spritzungen.

Bei den konventionellen Anwendungen werden 14 verschiedene Produkte verwendet, beim Ökoteil 2, wenn man den Netzschwefel mitrechnet.

Ich weise gerne nochmals darauf hin, dass an diesen Weinbergen im direkten Umfeld eine Schule und ein Kindergarten steht. Hier ist eine Satellitenaufnahme von nur einem der Weinberge, die aus der Luft behandelt werden. Mir wurde gesagt, es gibt noch weitere der abgebildeten Felder, die ebenfalls sprühend überflogen werden, hier habe ich aber keine genauen Daten, welche das sind. Ich weiss nur - es gibt sie.


Satellitenaufnahme Google Maps / (C) Google, danke!



Schaut man sich nun die einzelnen Produkte und ihre Sicherheitsdatenblätter näher an, ergibt sich ein interessantes Bild - und zwar selbst wenn es tatsächlich keine Ausbringung von Glyphosat  aus der Luft geben sollte. Ob überhaupt Glyphosat angewendet wird, ist keine Frage, das geschieht auf jeden Fall, die Nahaufnahmen, die mir vorliegen sind da glasklar.


Ich verlinke hier also zu den verschiedenen Produkten, die nun bereits ausgebracht sind oder in den kommenden Tagen und Wochen noch ausgebracht werden, gemäss der amtlichen Ankündigung:


1. Delan Pro

In den Sicherheitsdatenblättern steht nicht nur, dass es für Wasserlebewesen akut toxisch mit Langzeiteffekten ist, sondern auch wahrscheinlich krebserregend

Siehe Seite 2, hier: 


2. Vivando

Im Sicherheitsdatenblatt steht dazu:
Giftig für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung
Siehe Seite 2, hier 


3. Talendo extra

Im Sicherheitsdatenblatt ist zu finden:
Verursacht schwere Augenreizung, vermutlich krebserregend, kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, kann vermutlich das Kind im Mutterleib schädigen, und es ist giftig für Wasserlebewesen, mit langfristiger Wirkung
Siehe ab Seite 1 hier


4. Mildicut

Sicherheitsdatenblatt:
Schädlich für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung
Siehe hier, Seite 1/9


5. Luna Experience

Sicherheitsdatenblatt:
Verursacht schwere Augenreizung, kann vermutlich das Kind im Mutterleib schädigen, sehr giftig für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung

Sicherheitsdatenblatt auf der Webseite, startet automatischen Download, weshalb ich sie hier nicht verlinken kann. Einstufung jedoch gleich auf der ersten Seite.


6. Enervin

Sicherheitsdatenblatt:
Spezifische Zielorgan-Toxizität (einmalige Exposition). Kann die Organe (Skelettmuskulatur) schädigen nach längerer oder wiederholter Exposition. Sehr giftig für Wasserorganismen. Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung. Staub nicht einatmen.
Siehe Seite 2 UND Seite 16


7. Vinostar

Sicherheitsdatenblatt:
Verursacht schwere Augenreizung, vermutlich krebserregend, sehr giftig für Wasserorganismen, Schädlich für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung
Siehe Seite 2


8. Veriphos 

Sicherheitsdatenblatt:
Mittel und/oder Behälter nicht in Gewässer gelangen lassen.
Seite 2


9. Sercadis

Sicherheitsdatenblatt:
vermutlich krebserregend, sehr giftig für Wasserorganismen, sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung
Seite 2


10. Dynali

Sicherheitsdatenblatt:
sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung
Seite 2


11. Orvego

Sicherheitsdatenblatt:
Gesundheitsschädlich bei Verschlucken, sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung
Seite 2


12. Folpan

Sicherheitsdatenblatt:
Kann allergische Hautreaktionen verursachen, verursacht schwere Augenreizung, vermutlich krebserregend, sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung 
Siehe Seite 2/9


13. Topas


Sicherheitsdatenblatt:
Verursacht schwere Augenreizung, kann vermutlich das Kind im Mutterleib schädigen, giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung 
Siehe Seite 2/21


14. Funguran progress (Das ist das Mittel über Öko Ahr)


Sicherheitsdatenblatt:
Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung, verursacht schwere Augenreizung, gesundheitsschädlich beim Einatmen

Sicherheitsdatenblatt auf der Webseite, startet automatischen Download, weshalb ich sie hier nicht verlinken kann. Einstufung jedoch gleich auf der ersten Seite.



FAZIT
Wie auf dem Satellitenfoto zu sehen ist in der Nähe eines besonders grossen Sprühzieles für den Hubschrauber eine Schule und eine Kindertagesstätte. Abgesehen davon sind die gesamten Wohnhäuser umzingelt von weiteren Sprühzielen.

Und zwischen all dem fliesst die Ahr...

Ich will jetzt nicht zählen, wie viele der Produkte giftig und sehr giftig für Wasserorganismen sind. Oder wie viele davon gar mit Langzeitwirkung. Macht Ihr das. Geschenkt.

Aber wenn komplette Teile einer Stadt über zweieinhalb Monate mit Mitteln eingesprüht werden, die das Skelett angreifen können, die Fruchtbarkeit gefährden oder Kinder im Mutterleib, 5 davon wahrscheinlich krebserregend, PLUS das Glyphosat überall - und das dann sogar in direkter Nähe zu einer Schule und einer Kindertagesstätte...

Wer zur Hölle vergibt da Sondergenehmigungen für die Ausbringung aus der Luft, wenn wir wirklich genügend Hinweise aus Südamerika haben, wohin ganz speziell diese Form der Ausbringung führt?!

Es herrscht dort Angst. Aber nicht wegen der Mittel. 

Viele dort werden nicht einmal wissen, was da genau versprüht wird. 

Nein. Ein Arzt, der dort in dem Umfeld einen ungewöhnlichen Anstieg von Krebsfällen festgestellt hat, ist dort weggezogen. Er hatte offenbar Angst um sich und seine Familie.
Und die paar wenigen Leute, die dort Fragen stellen, werden "freundlich gebeten", gefälligst die Fresse zu halten.

Ich wurde wieder einmal erinnert, was ich eigentlich schon immer wusste:
Es ist gut, wenn mich jemand zu einer Sache kritisiert.
Macht das bitte - kontrolliert mich. Hinterfragt mich.
Denn: Was zählt ist die Wahrheit. Sonst nichts.

Und die ist offenbar sehr viel schlimmer, als zunächst angenommen.


Bis später.



Weiterführende Links:
Alle im Text verarbeitet, die Überschriften zu den Produkten sind anklickbar und führen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Texts auf Webseiten der jeweiligen Hersteller, die Seitenzahlen sind mit Links auf die jeweiligen Sicherheitsdatenblätter versehen und verweisen auf die Fundstellen. 


(STAND: 25.05.2019)



Freitag, 3. Mai 2019

Der Fall Pilliod, die EPA, die Presse und Bayers Aktionäre

Einordnung
Im Westen nichts Neues
Was der Pilliod-Fall mit der EPA zu tun hat und wie unsere Medien den Anlegern wesentliche Informationen vorenthalten.

Der Pilliod-Fall wegen Glyphosat und Krebs ist der dritte laufende Verfahren gegen Monsanto/Bayer und er läuft für Bayer gelinde gesagt - schlecht.

Neue Beweise, unruhige Monsanto-Mitarbeiter in Video-Verhören, eine extreme Dichte an Beweisen und starke Experten der Anklage machen eine dritte Verurteilung wahrscheinlich.
Wenn nicht ein Wunder geschieht...






Und just genau an DEM Tag, an dem der Pilliod-Fall an die Verteidigung übergeht
ab dem Monsantos Anwaltsarmee die Beweise für Unschuld vorlegen will, just genau an dem Tag gibt es ein Statement der US-Umweltbehörde EPA, von Glyphosat würde kein Risiko für die Bevölkerung ausgehen. 

Das Ehepaar Pilliod haben nach Jahren intensiver Anwendung von Roundup mit dem Non-Hodkin Lymphom beide einen seltenen Krebs entwickelt, den Studien mit der Glyphosat-Anwendung in Verbindung bringen. Beide. Selten. Zufälle gibt's...

Für jene, die sich das Glyphosat-Thema schon eine Weile anschauen ist das mit der EPA zwangsläufig ein Deja-Vu. 


Schon mehr als einmal gab es eine merkwürdige Entscheidung der EPA in Sachen Glyphosat in den letzten Jahren. 

Damals wurde klar, dass es einen Abteilungsleiter namens Jess Rowland gab, der nicht nur entgegen aller Stimmen der Wissenschaftler Glyphosat als harmlos einstufte, sondern sogar aktiv in den europäischen Wiederzulassungsprozess einwirkte, indem er in einer Videokonferenz einer relevanten Mausstudie einen Virus andichtete, der die Ergebnisse verfälscht habe. Die EFSA kaufte im das ab. 

Danach ging Rowland in den Ruhestand und bekam gleich zwei Beraterposten bei Tochterfirmen bei Monsanto.

Eine an Krebs erkrankte EPA-Mitarbeiterin schrieb an Jess Rowland diesen eindringlichen Brief. 

Der obige Brief wurde von einer an Krebs erkrankten Mitarbeiterin der EPA gesendet.
Interessant ist die Aussage von dem "Bonus". Die EPA-Behörde vergibt keine Boni, wie sollten die auch bemessen sein. Woher kam also der "Bonus"?


Also fragt man sich: Was war es dieses Mal? 
Wieder ein korrupter Abteilungsleiter? 
Oder ist es einfach Trumps Grusel-Kabinett?

Immerhin hat sie der EPA einen Lobbyisten vorgesetzt, der die Behörde in der Vergangenheit schon 14 x im Sinne von Kunden verklagt hat, die mit der Regulierung ihrer (Umwelt)verschmutzung nicht einverstanden waren - der Kosten wegen, die saubere Luft oder Wasser nicht der Allgemeinheit - sondern - welch Frechheit - dem Verursacher anlasten würden.


In der EPA dürfen die Mitarbeiter das Wort "Klimawandel" nicht verwenden

Entgegen der Warnungen der EPA-Wissenschaftler hatte Pruitt Chlorpyrifos wieder aus der Mottenkiste der Geschichte geholt, eine Entscheidung, die von einem Gericht wieder einkassiert wurde.
Die Wissenschaftsboards wurden von lästigen unabhängigen bei der Behörde angestellten Wissenschaftler befreit und deren Stellen in den Gremien ebenfalls von Lobbyisten ersetzt. 

Entdeckt Ihr das Muster?

Schaut man sich die Erklärung direkt bei der EPA an dann fällt einem eines auf:
Direkt unter dieser "hochwissenschaftlichen" Erklärung ohne weitere Erkenntnisse steht der Agrarminister mit einem Zitat, das 1:1 von Monsanto kommt - und jetzt übrigens genauso von Bayer übernommen wurde.

Ich übersetze das mal sinngemäss:
"Wir müssen ab 2050 zehn Milliarden Menschen ernähren, ohne Glyphosat werden wir alle sterben!"


Leute, jetzt haben wir ein Problem!
Der Mehrertrag durch Glyphosat wird für ganz Europa auf 5% beziffert. [Schmitz, Garvert]
Wir werden also alle zwangsläufig verhungern. 

Wohl dem von uns, der das altershalber nicht mehr durchmachen muss. Oder weil ihn idealerweise der Krebs davor dahinrafft. Eine runde Sache, das Round-Up.


Was die EPA-Erklärung nicht beschreibt ist ein offizielles Risk-Assessment.
Die tatsächliche Neueinschätzung soll nicht vor Ende des Jahres erfolgen. 

Mit anderen Worten - die EPA hat einfach mal wieder zwischendurch "Hallo" sagen wollen? 
Qui bono? Wem hilft's? Pünktlich zum Prozess? 

Das Wunder für Bayer? 

Ja. Nein. Nicht wirklich - wie es aussieht hat die Jury das goldrichtig eingeordnet - denn sie kennen ja durch die lange unrühmliche Geschichte der EPA zum Thema Glyphosat. 

Schon 1985 ordnete die EPA Glyphosat als krebserregend ein. 



Die ersten von Monsanto übersandten Daten waren gefälscht und wurden im Rahmen des IBT-Skandals nach Überprüfung der Studie von der EPA zurückgewiesen. 

Das alles weiss die Jury. 
Genauso wie sie den Umstand kennt, dass die EPA bei der letzten gültigen Einschätzung ihre eigenen Regularien und Protokolle nicht eingehalten hat, denn sonst wären sie da schon auf den gleichen Schluss wie das IARC gekommen. 
Mindestens "wahrscheinlich krebserregend". Mindestens...

Und das hat die Jury von just dem Mann erfahren, der diese Protokolle geschrieben hat.

Und sie wissen auch, dass die EPA einen Risikobericht - ebenfalls hervorragend getimed - während der Querelen beim europäischen Wiederzulassungsprozess hochgeladen hatte, der dann aus mysteriösen Umständen wieder zurückgenommen wurde.
Ich wäre nicht ich, wenn ich Euch diesen Bericht nicht zugänglich machen könnte.
Hier ist er. Achtet darauf, WER der Absender nach FROM: ist... Genau!...


Die Einschätzung der EPA ist genauso fragwürdig wie alle anderen Entscheidungen pro Glyphosat seitens der EPA in der Vergangenheit.


Die Veröffentlichung hat an der Börse für einen Anstieg der gebeutelten Bayer-Aktie gesorgt. Und die deutsche Presse hat sich für diesen Propaganda-Coup einspannen lassen.
Während der Original-Bericht bei Reuters noch Gegenstimmen zulässt, gibt es bei den deutschen österreicher und schweizerischen - keine. 

Sowohl die Anleger als auch die Landwirte lehnen sich also jetzt entspannt zurück.
Kaufen wieder Aktien. Sprühen wieder Gift. Schliesslich ist es eine Behörde, die das sagt und schliesslich sogar aus den USA.
Aus der Presse erfahren sie - dass es wieder einen Freibrief durch eine Regulierungbehörde gab - was nicht stimmt. Die Presseinformation hatte keinen Nachrichtenwert.

Vermutlich bleiben Anleger und Landwirte so lange getäuscht, bis auch der dritte Fall für Bayer verloren geht. Und dann von der selben Presse wieder zu erfahren, es sei ja ein Laiengericht gewesen, das diese Entscheidung traf.
Mit dem Urteil wird dann der Kurs erneut einbrechen. Oder die Anleger sind bis dahin schon so abgestumpft, dass sie auch ein drittes Urteil nicht mehr beeindruckt. 

Wir werden sehen.
Sie haben ja noch 13.397 weitere Chancen. So viele Klagen sind es aktuell.

Aber irgendwann müssen sie sich ja mal fragen, wie es zu den Entscheidungen kommt.
Bis später.


Weiterführende Links:
Alle Quellen sind im Text verarbeitet, bitte beachtet, dass mangels Berichterstattung in Deutschland einige der Themen nur auf Englisch verfügbar ist.