Mittwoch, 27. April 2016

Das Interview: Fragen zu den Glyphosat-Tests


KKopie
DAS INTERVIEW

Glyphosat, Fragen an Nico DaVinci




Sie haben ja zum Thema Glyphosat aktuell eine eigene Erhebung gemacht. Das ist ja eigentlich nichts Neues, eine andere Studie hat ebenfalls etwas über 2.000 Proben genommen. 
Was ist bei Ihnen anders und warum haben Sie diese Aktion überhaupt durchgeführt?

NDVSie sprechen da von der Urinale-Aktion, richtig? 
Die lief parallel, wir hatten unsere eigene Erhebung noch vor Veröffentlichung der Ergebnisse begonnen. 
Damals war uns nicht bekannt, dass deren Ergebnisse gesammelt veröffentlicht werden. 
Soweit ich weiss gingen unsere Tests durch ein anderes Labor. Das ist gut so, denn das schliesst ja jetzt dann in gewisser Weise mögliche vorhandene Vorurteile aus, wie das der Urinale-Aktion und anderen zwischen den Zeilen in der Berichterstattung unterstellt wurden.
Den verantwortlichen Köpfen wird ja ausserdem seitens der Hersteller vorgeworfen, dahinter stünden politische Ziele. Das bezweifle ich allerdings. Und man muss da auch mal hinterfragen, wo das eine Rolle spielt, wenn man Laborwerte auf den Tisch legt, oder ob das nicht ein Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Thema ist.

Bei uns ist ein politischer Hintergrund jedenfalls ganz sicher nicht der Fall. 
Denn wir sind einfach nur ein paar Menschen, die in diesem ganzen Dschungel an Pressemeldungen wissen wollten, wie es denn nun tatsächlich aussieht. 
Alle Proben sind durch die Probanden selbst privat finanziert. 
Keine Interessenkonflikte, einfach nur wissen wollen, was Sache ist.
Um so bemerkenswerter, dass wir am Ende auf das gleiche Ergebnis kommen. 
Da muss dann wohl was dran sein, an dem 1.08-Durchschnittswert und den 75% belasteten Proben.


Die Hersteller beantworten ja diesen Umstand mit der Aussage, das sei nicht anders zu erwarten. Und sehen darin ein gutes Zeichen, dass das Mittel durch den Körper durchgeschleust wird.

NDV: Ja, das ist schon bemerkenswert. Als 2013 report München das Thema aufgebracht hat, wurden solche Rückstände an sich noch von den Herstellern als unrealistisch abgelehnt. Da hiess es noch die paar wenigen Laborwerte seien keine wissenschaftliche Aussage. 
Jetzt sorgen wir mit Zahlen für Fakten, die das Gegenteil belegen, und jetzt ist das auf einmal "normal". Ich wundere mich sehr, dass sich einige davon beruhigen lassen. 
Ich halte ein Gift im Verdauungstrakt alles andere als für ein akzeptables "Normal".

Interessant übrigens, dass Sie "die Hersteller" gesagt haben, denn das behauptet ja aktuell unser BfR [Anm. d. Redaktion: Bundesinstitut für Risikobewertung]. 
Aber indirekt haben Sie Recht damit, wenn sie feststellen, dass man die beiden kaum noch voneinander unterscheiden kann. Ein Skandal für sich.

Bezogen auf das "Durchschleusen" - das finde ich ein hervorragendes Beispiel, dass hier seitens der Befürworter ständig nach "Wissenschaft, Wissenschaft" gerufen wird, und dass dann so eine unwissenschaftliche Aussage getroffen wird. Wissenschaft ist bei den Herstellern nur immer dann gefragt, wenn sie zu deren Standpunkten passt. 

Aber hier müssen wir denen einmal anders herum die Frage stellen: 

Wo sind denn da die Untersuchungen, die solche Behauptungen stützen?

Nein, ich habe schon länger den Verdacht, dass es hier nicht um Wissenschaft geht. 
Für das blosse Durchschleusen gibt es genauso wenig Belege wie für den Umstand, dass selbst das ungefährlich ist.


Halten Sie das denn für gefährlich?

NDV: Es gibt Stimmen, die sagen ca ein Drittel wird eingelagert. 
Der Umstand, dass Glyphosat bei mit belastetem Kraftfutter gefütterten Tieren in den Organen nachgewiesen wurde, spricht ebenfalls dafür. 
Und abgesehen davon, dass dann der Stoff aus dem Verdauungskreislauf ja in den Blutkreislauf übergeht mit ungeahnten Folgen, gehe ich persönlich davon aus, dass das Durchschleusen an sich nicht folgenlos vonstatten geht. 

Wir haben bei unseren Teilnehmern selbst ja deutliche Anzeichen, dass eine höhere Belastung auch eine höhere Wahrscheinlichkeit z.B. zu entzündlichen Beschwerden nahelegt. Wir gehen davon aus, dass es hier eine negative Einflussnahme des Stoffes auf die Darmflora stattfindet, was dann in der Folge für verschiedene Schwierigkeiten sorgt, bis hin zur Beeinflussung des Hormonhaushaltes. Das wäre dann allerdings auch ein weiterer dringender Grund, umgehend dafür zu sorgen dass die Menschen dem Stoff nicht weiter ausgesetzt werden.


Wie könnte denn eine solche Belastung grundsätzlich vermieden werden?

NDV: Schauen Sie, die Situation ist sowohl den Herstellern als auch den Behörden vollkommen aus dem Ruder gelaufen. 
Wir haben zwischenzeitlich gemessene Rückstände des Mittels in zwei Drittel der Backwaren, in Getreide, in Hülsenfrüchten, Haferflocken, Soja, Windeln, Wattepads, Bier... 
Diese Feststellungen sind wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges, ich bin ziemlich sicher, dass da noch einige ungute Entdeckungen bevorstehen, unter anderem vermutlich auch in Milch, zum Beispiel. 

Nun gibt es diese Messungen z.B. seitens des Umweltbundesamtes ja schon seit 2001 und das über viele Jahre. Und offensichtlich hat man schon länger versucht, auf die Vernunft der Hersteller und Anwender bzw deren Eigenverantwortung gesetzt. 

Hier müssen wir wohl den Mut haben zu sagen: Das ist gescheitert. 

Unsere Behörden haben nicht das Personal, um den Einsatz zu kontrollieren, und den Anwendern wird noch heute seitens der Hersteller gebetsmühlenartig eingeredet, dass das Mittel ungefährlich sei. Ausserdem müssen wir da unter anderem auch sehr kritisch auf die Verantwortung bestimmter Teile der Bauernverbände schauen, die - teilweise wohl auch aus finanziellem Eigeninteresse - für eine durchgehende und leider sehr wirksame - wie ich finde - Desinformation sorgen. Und die Medien haben auch nicht immer eine sehr rühmliche Rolle bei dieser Geschichte. Wie mir persönlich gesagt wurde sind eben bei einigen die Einnahmen aus Werbeanzeigen höher angesiedelt als zu recherchieren und Nachrichten zu machen, die den Werbekunden nicht gefallen.

Man kann sehr vielen der Anwender wahrscheinlich gar keinen Vorwurf machen, ich denke, sie handeln im guten Glauben und einige gewissermassen fast aus Tradition und weil sie das gar nicht anders kennen. Nein, die Verantwortung sehe ich in der Hauptsache bei denen, die ihnen nicht die Wahrheit sagen, was die Anwendung für langfristige Folgen hat. Und noch mehr bei jenen, die die Wahrheit unterdrücken.

Ich persönlich glaube daher nicht, dass man dieses Chaos durch den weiteren Verweis auf Eigenverantwortung beenden kann. Sondern dass hier eine klare Entscheidung gegen das Mittel nötig ist, will man die gesundheitliche Belastung tatsächlich beenden.


Brechen dann nicht die Erträge ein und verschärfen die Situation der Bauern weiter?

NDV: Also - erstens gibt es sehr viel mehr Anzeichen, dass der Einsatz des Mittels unter dem Strich teurer zu stehen kommt, als das Arbeiten ohne. 

Aber selbst wenn man die herstellerfreundlichen Studien zugrunde legt kommen wir auf einen Mehrertrag von 5, maximal 10%. Da sind dann aber noch lange nicht alle Kosten gegengerechnet, die dieser Einsatz nach sich zieht. Da geht es ja nur um mehr Ernte.

Jetzt gehen Sie doch bitte mal in einen Supermarkt und schauen Sie in die Regale. 

Und ziehen Sie vor Ihrem geistigen Auge die schön gerechneten 10% ab. 
Ich sehe keine akute Gefahr für eine Hungersnot. Sie?!

Und man ist da auch nicht ehrlich zu den Bauern. Die Situation, in der einige von ihnen stecken hat nichts mit zu wenig Ertrag zu tun. Das hat etwas mit den Preisen zu tun. 
Und jeder Kaufmannslehrling im ersten Jahr versteht, dass - wenn von etwas viel vorhanden ist - der Preis sinkt. Dieser Effekt ist ja noch umso stärker, als dass es sich um verderbliche Produkte handelt. Die auch noch oft saisonal bedingt gleichzeitig auf den Markt kommen. Hier sehe ich den hauptsächlichen Grund, warum die Landwirte um ihren sehr hart verdienten Lohn für ihre Arbeit betrogen werden. 
Am Ende ist das Credo von ständigem Wachstum und Mehrertrag ein viel stärkerer Auslöser des Problems als ein Beitrag für die Lösung der Situation. 


Wo Sie von Preisen sprechen - die sollen ja für Lebensmittel steigen, wenn man das Mittel verbietet?

NDV: Ich bin sehr gespannt, ob sich das überhaupt bewahrheitet, und wenn, dann in welchem Ausmass.

Den Verbrauchern wird ja oft unterstellt, dass sie nicht bereit seien, dies und das zu bezahlen. Ich sehe das anders. Der Verbraucher zahlt am Ende das, was auf dem Etikett steht. Das sieht man ja besonders gut an den Benzinpreisen, um ein Beispiel zu nennen. Da wird zu Beginn jeder Erhöhung die Faust in der Tasche geballt, und übermorgen ist es Normalität. Und wirklich weniger Auto gefahren wird deshalb trotzdem nicht.

Die eigentlich zu stellende Frage wird sein, ob der Handel hier fair reagiert und die möglichen Preiserhöhungen nur 1:1 weitergibt, oder das als willkommenes Mittel sieht, die eigenen Gewinnmargen im gleichen Atemzug nach oben anzupassen.

Aber ich kann Ihnen aus der Verbrauchersicht mit Gewissheit eines sagen: 
Wenn uns das die Gewissheit verschafft, dass wir zu giftfreien Lebensmitteln greifen können, sind wir alle gerne bereit, ein paar Cent mehr auszugeben. 
Fragen Sie da vor allem mal die positiv getesteten Probanden unserer und der Urinale-Erhebung. Ich bin sicher, die werden Ihnen das gerne bestätigen. 

Und das wir in Deutschland zwischenzeitlich tatsächlich eine wachsende Anzahl von Menschen haben, die sich insgesamt schwer tun, vernünftige Lebensmittel zu bezahlen ist ein vollkommen anderes Problem. Das löst sich aber nicht, in dem man die Bevölkerung weiter vergiftet.


Was schlagen Sie als nächste Schritte vor?

Der vernünftigste erste Schritt wäre natürlich zunächst, keine Wiederzulassung zu erteilen. Das wäre für alle billiger und einfacher, und eigentlich auch die Pflicht der Verantwortlichen, denn es gilt tatsächlich, die Bevölkerung zu schützen. 

Übrigens vor mehr als "nur" wahrscheinlich krebserregend, die vermuteten Auswirkungen auf die Darmgesundheit und den Hormonhaushalt habe ich ja vorhin erwähnt. 
Wobei ich den Zynismus unerträglich finde, dass "wahrscheinlich krebserregend" für sich nicht mehr Grund genug ist zu handeln.

Das Aussetzen der Wiederzulassung scheint allerdings politisch nicht gewollt und die Einflussnahme der Hersteller ist enorm. Übrigens viel weitreichender, als das die meisten von uns geläufig haben. 

Man darf deshalb die Chancen auf eine Wiederzulassung nicht unterschätzen, sie ist leider real, auch wenn ich das für einen unglaublich dümmlichen Fehler halte. 

Sollte das also kommen, gehe ich davon aus, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft unumstössliche Belege haben werden, die die negativen gesundheitlichen Auswirkungen beweisen, und spätestens dann ist das Mittel Geschichte. 
Ab da müssen wir dann auch konsequenterweise über Schadenersatz nachdenken, denn meinen Schätzungen zufolge belastet das alleine den deutschen Gesundheitsapparat um zweistellige Milliardenbeträge. Und wenn man die Wirtschaft über die Gesundheit stellt, weil man keine ausreichenden Beweise hat, dann muss man die Wirtschaft auch zur Kasse bitten, wenn die dann da sind.

In jedem Fall sind da noch sehr viele sehr unangenehme Fragen zu stellen.
Die Risikoeinschätzung unserer Bundesbehörde BfR wirft sehr viele Fragen auf - und wer das Gutachten von Professor Greiser gelesen hat der versteht auch, dass das höchstwahrscheinlich sogar in den strafrechtlichen Bereich gehen muss. 

Eine Betrugsanzeige gegen Monsanto, die EFSA und das BfR sind ja schon gestellt.
Und ich würde das auch noch auf "Körperverletzung im Amt" prüfen lassen, da wissen die Rechtsleute mehr, aber nach meinem Gerechtigkeitsempfinden ist das nicht abwegig.

Die Belege für einen Betrug zu Lasten der Gesundheit von 508 Millionen EU-Bürgern finde ich erdrückend, das muss aufgearbeitet werden. Hier wird sich zeigen, ob wir uns tatsächlich noch in einem Rechtsstaat befinden, auch das wird sehr spannend zu beobachten sein.

Momentan gibt es jedoch einen Hauptverantwortlichen, von dem jetzt sehr viel abhängt. Das ist unser Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt. 

Der wird letztes Endes als Zünglein an der Waage in der EU entscheiden, ob eine Wiederzulassung überhaupt erst kommt. Das scheint er wohl zu bejahen - entgegen dem erklärten Willen von Umweltbundesamt, entgegen den Bedenken des Umweltministeriums und 70% der Bevölkerung. 

Er wird sich der Frage stellen müssen, ob er seiner Verantwortung für die Gesundheit der Bürger hier gerecht wird und auch, ob er für dieses Amt noch weiter geeignet ist. 

Ich bezweifle, dass seine Amtszeit regulär endet und halte seinen Rücktritt - sofern das alles zeitnah aufgearbeitet wird - für einen logischen und notwendigen Schritt. 

Spätestens wenn die vorsätzliche Fälschung bei der Risikobewertung auch rechtlich als solche bewertet wird, muss er die politische Verantwortung übernehmen, das BfR ist seinem Haus unterstellt, und die Vorwürfe gegen deren Arbeit sind ja nun schon eine ganze Weile begründet vorhanden. Denen hätte er nachgehen müssen. Zeit genug hatte er.

Aber so steckt dann auch wieder in dem allen ein kleines bisschen Hoffnung:
Vielleicht finden wir dann einen Nachfolger, der sich mehr um die Bedürfnisse derjenigen kümmert, die ihn für diesen wichtigen Job eigentlich bezahlen. 
Das habe ich in der aktuellen Amtszeit nicht ein einziges Mal gesehen.


Vielen Dank für das Interview.

NDV: Sehr gerne.





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