Donnerstag, 9. Februar 2017

Forever. Not. Yours.

Meinung
Nahrungsergänzungsmittel. Kasse machen mit Struktur.
Wie klug ist es, Mahlzeiten mit Soja-Protein-Shakes zu ersetzen?

Während meiner Arbeit begegne ich leider fast zwangläufig auch immer wieder dieser besonderen Sorte Mensch: 

Leute, die wie ferngesteuert euphorisiert durch einen Strukturvertrieb wie 
FLP Forever Living Products oder JuicePlus durch das Internet fräsen. 

Auf der Suche nach willigen Opfern, um ihnen ihre überteuerten Nahrungsergänzungsmittel zu verkaufen. Ohne Rücksicht auf Verluste, nur damit sie die nächste Stufe in ihrem Multi-Level-Marketing erklimmen können. Um dann noch reicher, noch schöner und noch erfolgreicher zu werden. Was so gut wie nie Wirklichkeit wird. Ich kenne jedenfalls nur Leute, die damit scheitern... 


Gestern hatte ich mal wieder die Gelegenheit zu einer spannenden Unterhaltung mit einem solchen Menschen und - wow - sind die überzeugt, von dem was sie (sich) da (an)tun. Am Ende der Chatunterhaltung versprach ich ihr, mich dem Thema mal anzunehmen, und meine Sichtweise darauf niederzuschreiben. Versprochen ist versprochen. Here we go...

Während der Unterhaltung kamen wir auf zwei der Produkte zu sprechen. 
Das eine war ein Soja-Shake, der beschreibungsgemäss in 300 ml 0,3% Magermilch aufzulösen sei, und dann per Tag bis zu 2 Mahlzeiten ersetzen soll. Dies mit dem Zweck, abzunehmen. Das andere war ein Calcium-Produkt, das ihre weichen Nägel endlich schön hart gemacht habe. 

Aber der Reihe nach...



Symbolfoto: Das Bild zeigt nicht die eigentliche Verpackung. 
Wäre mir zu stressig. Und zu teuer. Die Sympathie-Träger.



Lasst uns zunächst mal die Shake-Idee von einem ganz sachlichen nüchternen Ernährungsstandpunkt betrachten. Werfen wir dazu einmal gemeinsam einen Blick in die Zutatenliste eines solchen Produktes.

Wer es selbst im Web nachvollziehen möchte - das Produkt heisst "Forever Ultra Vanille". 

Vertrieben wird es über den Strukturvertrieb FLP Forever Living Products, mit Hauptsitz in Amerika, für Deutschland aktuell in Frankfurt am Main und München (schönes Schloss, Respekt! Muss ja gut laufen...) 

Ein 375-Gramm-Beutel kostet während ich das schreibe satte 24,50 Euro, das entspricht einem Kilopreis für das Pulver von 65,33 Euro. 
Stolzer Preis für ein Pülverchen. 
Geht man davon aus, dass man pro Mahlzeit 25 Gramm verwendet soll und das zwei Mal am Tag, ist so ein Shakebeutel nach gut einer Woche leer. 
Was könnte man für tolle Lebensmittel für 98 Euro im Monat... 
Lassen wir das. Zurück zu den


Zutaten (Quelle, Herstellerseite, 08.02.2017)

Soja Protein Isolat, Fructose, Färberdistelöl-Pulver, natürliches Vanille Aroma, Sonnenblumenöl-, Pulver, Kaliumphosphat, Fructooligosaccharide, Guarkernmehl, Magnesiumoxid, Emulgator (Sojalecithin), Süßungsmittel (Sucralose), Calciumcarbonat, Vitamin C (L-Ascorbinsäure), Eisenfumarat, Vitamin E (D-alpha, Tocopheryl Acetat), Niacin, Kaliumiodid, Zinkoxid, Mangansulfat, D-biotin, Pantothensäure, Vitamin, A (Retinylpalmitat), Kupfersulfat, Hefe, Vitamin, B6 (Pyridoxinhydrochlorid), Vitamin D (Cholecalciferol), Vitamin B1 (Thiaminhydrochlorid), Vitamin B2 (Riboflavin), Folsäure, Vitamin B12, (Cyanocobalaminsäure), Selen.

Ok, dröseln wir das mal auf, wo es zählt:

Soja Protein Isolat
"Tolle" Idee. Wo 90% des weltweiten Anbaus von Soja heute genmanipuliert erfolgt, damit die Pflanzen Glyphosat vertragen... Natürlich entnimmt ein amerikanisches Unternehmen das Isolat aus den übrigen, teureren 10% an nicht verändertem Soja... 

Das darf man doch voraussetzen bei Firmen, die deutlich profitorientiert sind und wie in dem Fall deren Gründer Rex Maughan mit 600 Mio US-Dollar auf Rang 368 der Forbes-Weltrangliste (2002) der reichsten Leute katapultiert hat. 

Aber halt! Entwarnung?! 
Der Hersteller schreibt beschwichtigend zu seinem Produkt "auf der Basis von nicht gentechnisch verändertem Soja-Eiweiß". Klingt doch gut?!

Was ist denn nun genau nicht gentechnisch verändert? Das Soja-Eiweiss? 
Oder die Pflanze, aus der es gezogen wird? Wieso schreiben die das dann nicht so?

Grundsätzlich ist das - gentechnisch manipuliert oder nicht - ernährungstechnisch die erste meiner Meinung nach dümmliche Idee an dem Produkt, denn Soja-Protein-Isolat hat sich in Studien als "den Fettstoffwechsel zum Nachteil verändernd" herausgestellt. 
Verständlich ausgedrückt: Es bremst Abnahmebemühungen.
Tatsächlich ist daher mit diesem Stoff als Hauptzutat nicht eine Abnahme, sondern schlimmstenfalls eine Zunahme zu erwarten. 
Die getesteten Ratten sahen das wohl genauso. [FIG 1]

Fruktose
Es gab eine Zeit, da gab man Diabetikern als Zuckerersatz reine Fruktose, weil die den Insulinspiegel nicht ansteigen lassen. Die hat's gefreut, denn Fruchtzucker ist sogar 20x süsser als gewöhnlicher Zucker und wie sehr Menschen süss mögen - nun, das brauche ich Euch nicht zu erzählen. 

Heute weiss man jedoch gesichert, dass das keine gute Idee war, und zwischenzeitlich schreibt sogar das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung), dass eine "Fructoseaufnahme ungünstige Wirkungen auf den Stoffwechsel entfaltet".  Und in einer sehr technischen Ausführung weiter, dass es Übergewicht erzeugt, Bluthochdruck, den Fettstoffwechsel stört (schon wieder) und selbst für Insulinresistenz und im weiteren Verlauf dann zu Diabetes 2 führt (Metabolisches Syndrom). 

Der Mechanismus dahinter ist sogar verdammt logisch: Da kommt zwar Energie in den Körper, wird aber mangels Insulinausschüttung nicht als solche erkannt. Für den, der das aufnimmt fühlt sich deshalb so an, als würde man - trotz Energieaufnahme - bei lebendigem Leib verhungern. Wir kennen die Folge daraus dann als Heisshungerattacke.
Somit ist diese Beigabe, die sogar als zweite auf der Zutatenliste erscheint, in einem Produkt zur Unterstützung von Abnahmebemühungen eine ziemlich dumme Wahl. 

Sukralose (E955)
Wer nun schon bei den ersten beiden kritisierten Zutaten das Gefühl bekam, dass das eigentlich für eine Abnahme überhaupt nicht geeignet ist, der kann sich jetzt anschnallen, und bitte Helm auf! 


Auf der Suche nach einem Zuckerersatzstoff patentierte Tate&Lyle, das war damals der zweitgrösste Zuckerhersteller der Welt 1976 eine Zucker-Chlor-Verbindung als Süssungsmittel. Diese Verbindung ist chemisch gesehen als Organochlorverbindung in der gleichen Substanzklasse zu finden wie Lindan und DDT, also zwei hochgiftigen Insektiziden, die ihre ganz eigene Geschichte hatten, bevor sie endlich verboten wurden. Zugelassen wurde dieser Süssstoff aber trotzdem, 1999 in den USA und 2004 in der EU.

Der Zulassungsprozess hat meiner Meinung nach eher beunruhigende Parallelen zur Freigabe von Aspartam, auch hier wurden Warnzeichen in der vorgelegten Bewerbungsstudie geschönt und unter den Teppich gekehrt.
So traten bei Ratten einige gesundheitlichen Probleme auf: Vergrösserte Leber und Niere, eine Beeinträchtigung des Immunsystems, Verkleinerung der Milz und der Thymusdrüse.

Sei's drum, dachten sich die Entscheider in der EU, legen wir einen ADI fest (täglich akzeptable Aufnahmemenge) und schauen wir einfach mal, was passiert... Hail Mary...

Und passiert ist zwischenzeitlich viel... 
Man weiss zum Beispiel, dass der künstliche Süssstoff, den es so in der Natur nicht gibt, in grossen Mengen in unsere Abwässer gelangt und selbst mit teuerster Klaranlagentechnologie nicht herauszufiltern ist. 
Wir haben diese Verbindung daher heute bereits in jedem Fluss, in jedem See - und natürlich auch in unserem Trinkwasser. 
Auswirkungen auf Tier- und Pflanzenwelt wurden nie untersucht. 
Was einem bei der chemischen Nähe zu Lindan und DDT schon einmal zu denken geben könnte. Aber wen schert schon die Umwelt... 

Viel spannender ist vielleicht zu wissen, dass der Hersteller bei der Zulassung noch getönt hat, dass der Stoff zu 100% unverdaut durch den Körper geht. Soviel zur Glaubwürdigkeit von Herstellerangaben, denn zwischenzeitlich ist nachgewiesen, dass eben doch 15% im Verdauungssystem aufgenommen und gespeichert werden. Wie der Stoffwechsel reagiert? Weiss man nicht.
Man weiss, dass es irgendwie trotzdem dick macht.
Und was man auch weiss ist, dass der ph-Wert im Darm steigt, und dass Sucralose das Potential hat, die Darmflora um bis zu 50% zu beschädigen

Und das, meine Lieben, ist - WAHNSINN! 

Ist Euch schon mal aufgefallen, dass wir mittlerweile fast allabendlich TV-Spots der Pharmaindustrie sehen, in dem ein gereizter Darm (Leaky Gut) mit Pillen geflickt werden soll? Achtet da mal drauf... Wer dieses Warnzeichen übersieht, dass da ein dermassen grosser Bedarf entsteht, dass man so eng aneinander Spots schalten kann...
Beschäftigt Euch mal bitte damit, was für verheerende Auswirkungen das haben kann - z.B. in Sachen Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto oder auf die Bauchspeicheldrüse!


Auch hier wieder werden die guten Bakterien im Darm geschädigt während die schlechten unbeeinflusst den freiwerdenden Raum einnehmen. Das hatten wir doch schon mal?!
Richtig. Hier... Die Folgen habe ich ja in dem Film erklärt, die das nach sich zieht.

Und wenn schon die Bakterien im Darm davon sterben, dann will ich wirklich lieber nicht wissen, was das Zeug in unseren Gewässern erreicht!

Aber die Forevers kippen Euch das als Nahrungsersatz in den Kopf! 
Vollkommen grundlos wird hier das Leaky-Gut-Problem weiter verschärft.
Und dann behaupten sie dabei noch, die Shakes könnten "dabei helfen, sich bewusst und gewichtskontrolliert zu ernähren". Wie verantwortungslos kann man nur sein!?

Und Abnehmen!?
Klar - mit schön Milch dabei, damit das mit dem Abnehmen noch weniger klappt.

Hauptsache 0,3% Fett!

Vom niederkalorischen Prinzip, das der Shake-Ersetzt-Mahlzeit-Idee zugrunde liegt mal ganz zu schweigen, denn der Abfall in den Hungerstoffwechsel erzeugt wie wir ja alle wissen allenfalls kurzfristig eine Abnahme, gefolgt von Ausgleich oder gar Zunahme.

Und Zucker hat in einem Abnahmeprodukt genau NULL verloren.

Kurz: Dieses Produkt ist eine grenzenlose Dummheit, und gnadenlos überteuert dazu, weil man den ganzen Apparat dieses Strukturvertriebs mitfüttern muss.

Forever? Not yours. Never. Ever.


Das Forever-Kalzium-Produkt.

90 kleine Pillen erhält man da für - während ich das schreibe - 32 Euro.
Nett. 4 Pillen am Tag seien einzunehmen, weiss das Produktdatenblatt.
Das heisst, der Kalzium-Pillen-Vorrat reicht für 22 Tage, nicht mal einen ganzen Monat, selbst wenn er Februar heisst. Selbst in der Apotheke gibt es Kalziumprodukte, die günstiger sind.
"Jaaa", sagt der Multi-Leveler... "So kannst Du das nicht sehen, unseres wirkt besser!"

Aha. Die Rede ist von Bioverfügbarkeit, also der tatsächlichen Fähigkeit des Körpers, den Stoff überhaupt erst aufzunehmen. 

Man könnte jetzt aber auch einfach vernünftige Lebensmittel davon kaufen, 
die man ja sowieso braucht, wenn man nicht verhungern will...

Eine ganz natürliche TOP-Bioverfügbarkeit bieten zum Beispiel:
Artischocken, Brokkoli, Brunnenkresse, Butternutkürbis, Eier, Fenchel, Fisch, grüne Bohnen, Grünkohl, Kohlrabi, Kresse, Lauch, Leinsamen, Mandeln, Okraschoten, Pak Choi, Petersilie, Sardinen, Sesam, Spargel, Spinat, Rindfleisch, Rosenkohl, Rucola, Zwiebeln...

Lediglich bei Leinsamen und Sesam müsste man etwas mehr davon essen, weil die enthaltene Oxalsäure die Aufnahme hemmt.

Vielleicht kann man ja die 32 Euro für die 22 Tage auch einsparen und stattdessen in Bioqualität investieren? Nebenbei: Kein einziges davon macht dick...

Wir haben Dutzende von Berichten in unserer Gruppe, die beschreiben, wie toll auf einmal die Nägel der KK-Damen geworden sind. Der Auszug an kalziumhaltigen Lebensmitteln da oben mag ein guter Grund dafür sein.   


"Ja, aber schau mal, bei uns ist ja noch Magnesium..." Och komm bitte - verschone mich! 
Schlag die Gehalte im Internet nach, nimm einen Taschenrechner.
Oder frag einfach unsere erfolgreichen, konsequenten KKler nach ihren Blutwerten. 
Mängel? Fehlanzeige! Ganz ohne teure Pillen.


FAZIT / Ein direktes Wort an unsere KK-Mitglieder:

Leute, ich möchte an dieser Stelle eine liebgemeinte Warnung aussprechen. 
Ich weiss, diese Struktur-Pulveranten kommen wiederholt mit tollen Versprechen auf Euch zu. Lasst Euch bitte nicht einlullen und das Geld aus der Tasche ziehen. 

Diese Menschen werden geschult, mit Euren Einwänden gegen deren Produkte umzugehen"Tricks", nennt das der junge MLM-Mann, der uns hier allen erklärt, warum ein Strukturvertrieb kein Schneeballsystem ist. Das ist die Art, wie diese Leute ausgebildet werden. Es geht um "Kontern", "Austricksen" und "Verkaufen". 

Das tatsächliche Wissen, was in den Produkten drin ist, und was für Euch daraus entstehen kann, ist spärlich bis gar nicht vorhanden. 
Wie das aber tatsächlich ausschaut, habe ich ja nun oben an einem Beispiel demonstriert...

Und wo das endet, wenn Ihr Euch auf diesen Quatsch einlasst, könnt Ihr an diesem Beispiel hier sehen - es ist zwar teilweise Schweizerdeutsch, aber Ihr bekommt eine gute Ahnung.
Reich werden die Leute, die in der Kette ganz oben stehen nicht ihr. 

Und die Dame in dem Film blieb auf Waren im Wert von mehreren tausend Franken sitzen.
Lasst Euch nicht blenden. 

Kein Pillenpresser ist besser als die Natur.
Und wie Abnehmen langfristig geht, das wisst Ihr ja sowieso.


Bis später.



Weiterführende Links:
SRF Kassensturz undercover: In den Fängen einer Networkfirma (Forever Living Products)
Einblick in die Methoden - und die Folgen

Wertvoller, entspannend: a-ha Forever not yours   ;) 




1 Kommentar:

Martina Leitner hat gesagt…

Sehr toll geschrieben! Danke.

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