Donnerstag, 14. Januar 2016

Der Unterzucker: Selbstdiagnose oder Selbstbetrug?

KKWissen
Unterzucker: 
Selbstdiagnose oder Selbstbetrug?
Zwischen Wahrheit und Zuckerwahn


Es ist kein Geheimnis: Ein wichtiger Bestandteil an unserer Ernährungsumstellung ist, dass wir während der Abnahmephase den Zuckerkonsum drastisch einschränken.

Das sorgt zu Beginn der Umstellung in den ersten Tagen teilweise für Symptome, die unschön sind und - wie ich beobachten konnte - manche teilweise auch ziemlich verunsichern können.

Der Augenblick, wo der Zuckerentzug mit voller Wucht zuschlägt ist typischerweise teilweise begleitet von ungutem Befinden wie Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen. 

Je nachdem, wie süss man vorher gelebt hat ist das beim einen stärker ausgeprägt als beim anderen.

Ein Satz, der zu dieser Zeit relativ oft auftaucht ist: "Ich bin im Unterzucker."

Und dann wird leider viel zu oft gesagt: 
"Ich konnte nicht anders, ich brauchte eine Schokolade, dann ging es mir wieder besser..." 

Aber... stimmt das? Was genau passiert da eigentlich? 

War das wirklich die eine dringend nötige lebensrettende Massnahme oder eine törichte Verlängerung des Entzuges, in dem man sich selbst etwas in die Tasche gelogen hat?
Weil man es womöglich nicht besser wusste?


Schauen wir das doch einmal genauer an...



Ist es Sucht oder echte Not? Eine Entscheidungshilfe



Der Unterzucker (Hypoglykämie) 
Als Unterzucker bezeichnet man einen Vorgang im Körper, in dem der Blutzuckerspiegel unter ein gesundes Mass fällt. 

Wer das genau wissen will:
Fällt die Sättigung im Blut unter 40-50 mg Zucker auf einen Deziliter, dann ist der Zustand erreicht. Manche spüren das schon vorher, so bei 60 mg...


Selbstverständlich sollte man diesen Zustand keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen, denn je nachdem, wie schwer es einen trifft können verschiedene schlimme Dinge passieren. Das kann dann sogar bis hin zu Ohnmacht und Koma gehen.
Keine Frage, das braucht keiner. 
Aber - der Weg dorthin ist laaang. 

Und oft doch sehr viel länger als der von der Haustüre zum Zuckerregal.




Vorab ein paar Worte zum Sonderfall Diabetes
Diabetiker kennen das Thema Unterzucker recht gut, denn sie erhalten meistens eine gute und intensive Einweisung, und im Regelfall überwachen sie ihren Blutzuckerspiegel mit ihren Messgeräten regelmässig und greifen ein - lange bevor es brenzlig wird.

Deshalb gehe ich für diese wichtige Gruppe davon aus, dass ich auf die besonderen Gefahren eines echten Unterzuckers kaum eingehen muss. 
Achtet auf Eure Werte, reguliert sie so, wie Ihr das gelernt habt. 
Auch dann, wenn Ihr mit KK langsam von Eurem Langzeitzuckerwert wieder Richtung normal geht: bleibt immer klug und umsichtig.


Die gesunden Neustarter
Anders jedoch verhält sich das bei unseren Neuanfängern, die durchschnittlich gesund sind und die vor Beginn der Umstellung weder Symptome für Diabetes bei sich festgestellt hatten noch tatsächlich eine entsprechende Diagnose gestellt bekamen. 

Im Zweifelsfall lohnt natürlich eine Überprüfung, wo man diesbezüglich eigentlich steht. 
Auch wenn ich glaube, dass viele trotz einer Ahnung dies dann doch lieber unterlassen, weil sie keine Lust auf lebenslanges Spritzen haben... 


Aber gehen wir einmal von denen aus, auf die das alles nicht zutrifft. Denn die möchte ich vor einem Irrtum bewahren.



Die Falle Selbstdiagnose
Wie wir oben gesehen haben gibt es eine relativ klare Definition, ab wann man in den "echten" Unterzucker kommt. 

Es ist eigentlich ziemlich schwer, ohne Messgerät zwischen Haustür und Zuckerbäcker auseinander zu halten, ob die kleine Schwindelattacke jetzt Symptom für sofortiges Handeln, oder nicht doch eher der Wunsch nach gewohntem Süss der Vater des Gedankens ist, nicht wahr? 

Wie soll man das denn bitteschön als Normalsterblicher auseinander halten?

... wenn mir selbst das Pflegepersonal manchmal nicht ganz firm in dieser Frage zu sein scheint. 

Denn - wie ich neulich beobachten konnte - war die reflexartige Handlung auf einen kleinen Schwindelanfall eines Patienten die sofortige Gabe von Traubenzucker. 
Wegen der Haftungsfrage sicher eine hervorragende Idee, und wenn der Patient in der Arztpraxis umkippt ist das jetzt nicht wirklich ein werbewirksames Bild... 
Also alles richtig gemacht.

Aber dann der Spruch: "Ja, sie sind im Unterzucker!" 


Den hätte sich die Sprechstundenhilfe meiner Meinung nach sparen sollen. 
Denn - gemessen hat sie das nicht. 
Es war eine Vermutung, die sie als Tatsache deklariert hat. 

Und das noch nicht einmal bei einem Menschen, der mit nüchternem Magen zu einer Untersuchung kam. 

Das finde ich dann fast schon ein bisschen ärgerlich, denn so bleibt es bei den Mythen und den Selbstdiagnosen, die sich das Volk mittags beim Kaffeetisch erzählt. 


Verwechslungsgefahr in den ersten Tagen KK
Tatsächlich sind die Symptome von einem echten Unterzucker und dem Zuckerentzug leider sehr ähnlich. 

Beide teilen sich zum Beispiel Rastlosigkeit, Schwindel, Konzentrationsschwäche, Verwirrtheit, Reizbarkeit und manchmal regelrechte Heisshunger-Attacken, um ein paar typische zu nennen.

Wenn man sich jedoch im Rahmen der Ernährungsumstellung für den Zuckerentzug entschieden hat, dann ist der reflexartige Griff zu Traubenzucker und Schokolade insofern keine gute Idee, als dass das ganze unter Umständen wieder von vorne beginnt, man tut sich da keinen Gefallen, sondern verlängert das alles nur...



Hier ist, warum man mit konsequentem KK zu Beginn eigentlich NICHT in den Unterzucker fallen KANN:


Sobald der Blutzucker unter ein gewisses Mass fällt, beginnt der Körper, dagegen anzugehen. Gut so: 
Denn wichtige Organe wie zum Beispiel das Gehirn sind auf eine regelmässige Zufuhr von Glucose angewiesen. 
Bleibt die aus, dann wehrt sich der Körper.

Es gibt zwei Ursachen, wie "echter" Unterzucker zustande kommen kann:


Erstens: Hunger
Hier muss man allerdings verstehen, dass das schon eine längere Hungerperiode sein muss, und damit nicht der kleine Hunger morgens um halb 10 in Deutschland gemeint ist.


Zweitens: Ein HOHER Insulinspiegel 
sorgt dafür, dass alles an freiem Zucker im Blut abgeräumt wird, was nicht niet- und nagelfest ist, weshalb die Zucker-Konzentration im Blut in der Folge drastisch absinkt.
Weil das Insulin den Zucker in die Zellen stopft - oder in Fett umwandelt - bleibt kaum noch etwas übrig für die Blutbahn, aus der wir die Sättigung messen.


Unsere KK-Empfehlungen schliessen Unterzucker praktisch aus:

Bei KK empfehlen wir ausdrücklich regelmässige Mahlzeiten inklusive Frühstück 
und immer satt. Hunger gibt es bei uns nicht. Ergo: Kein Unterzucker. Richtig?

Bei KK empfehlen wir ausdrücklich, auf alle Lebensmittel zu verzichten, die einen starken Anstieg des Insulinspiegels zur Folge haben: Ergo: Kein Unterzucker. Richtig?

In der Folge bedeutet dass, das dieses Argument, sich schnell eine Tafel Schokolade oder einen Krapfen zwischen die Binde schieben zu müssen, weil einem schwindelig ist nur 3 Dinge bedeuten kann...

1) Der Wunsch war Vater des Gedankens und der Zuckergnom-Sucht-Schweinehund war stärker

2) 
Man hat sich nicht an die Regeln und Empfehlungen gehalten

3) Oder man hat tatsächlich eine Krankheit, die dafür sorgt, dass das Essen nicht richtig aufgenommen hat, das wir uns zuführen. Das würde ich natürlich nachschauen lassen.
Es wäre aber doch sehr ungewöhnlich, wenn das nicht schon vorher irgendwann einmal entdeckt worden wäre.


Ja, aber... werden einige sagen: Es geht mir ja wirklich besser danach?

Richtig. So wie es einem Raucher "besser" geht, nach der ersten Zigaretten nach einem 10-Stunden-Flug, so wie es einem Alkoholkranken "besser" geht, wenn die Hand aufhört zu zittern nach einem Mäger-Jeister. Und wie es einem Drogensüchtigen "besser" geht nach dem Seelestreicheln mit der Lieblingsdroge. 


Aber das nicht nicht - besser. Nur "besser".
Genau so "gut" wie bei allen anderen Süchten auch, wenn man ihnen nachgibt.
Und genau mit den gleichen Folgen: Rückfallgefahr!


Die bessere Abhilfe statt Süss:
Abhilfe schafft jedes ganz normale Essen im Rahmen der vorgegebenen Lebensmittel.

Es ist ein Irrglaube, dass Glucose nur in kleinen Knistertütchen von der Apotheke vorkommt oder als Dextro-Energie-Bündel im Maltodextrin-Gemisch an der Supermarkt-Quängelkasse erhältlich ist. 

Auch die typischen Obstsorten wie Banane oder Apfel müssen nicht sein.
Eine Hand voll Cocktail-Tomaten: Wieso nicht?

Echtes, einfaches und ehrliches Nicht-Fast-Fertig-Essen hilft - tatsächlich!



Zusätzlich empfehle ich alle im Zuckerentzug-Beitrag erwähnten Massnahmen.

Das hilft ebenfalls und - ja, über ein paar der Symptome muss man drüber weg, das geht nicht anders. Aber es lohnt, verdammt!


Extra-Tipp:
Besonders wichtig ist, dass Ihr die empfohlene Hülsenfrüchteportion einhaltet.

Wer das bloss aus Gründen von "Mag-ich-nicht" weglässt, tut sich keinen Gefallen.
Der sollte sich vielmerh lieber im Rahmen der Hülsenfrüchtesortimente einmal näher umsehen, was er für sich herauspicken kann. 

Und spätestens bei den Zuckerschoten (ja, die sind erlaubt, die heissen nur ungünstig) kommen selbst die meisten Hülsi-Hasser auf ihre Kosten.

Wer nachgewiesenermassen(!) Unverträglichkeiten gegen Hülsenfrüchte hat (und damit meine ich nicht ein leises Lüftchen im Darm in den ersten Wochen, denn das legt sich), der sollte sich bitte kurz in der Facebookgruppe zu Wort melden. Auch dafür gibt es Abhilfe.




Fazit:

Eine Selbstdiagnose führt aufgrund der Fehlwahrnehmung des Wortes "Unterzucker" zu oft zu einer vollkommen unnötigen Verlängerung des nötigen Entzuges.  

Und bringt einen im allerschlimmsten Fall zur Aufgabe, weil man diese vollkommen unnötig lange Quälerei dann tatsächlich sehr viel schlechter durchsteht.



So wenig leichtfertig man mit einem echten Unterzucker umgehen darf,
so wenig leichtfertig sollte man das meiner Meinung nach mit der unbedachten Verwendung des Wortes tun.



Bis später.



Weiterführende Links:
Wikipedia: Unterzucker (Hypoglykämie)
Auf diesem Blog: Der Zuckerentzug
Selbstkontrolle: Symptome für Diabetes Typ 2





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