Samstag, 3. August 2013

Der Spiegel: Natürlich künstlich - Lesetipp und Kommentar


Ihr kennt das. Wenn man ein rotes Auto einer bestimmten Marke kauft, dann sieht man auf einmal eine Menge rote Flitzer dieses Typs auf der Strasse...

Eine Zeit lang ging ich davon aus, dass mein "Sich-Beschäftigen" mit dem Thema Abnahme, Ernährung und industrieller Herstellung von Nahrungsmitteln einen ähnlichen Effekt ausgelöst haben könnte, weil ich immer mehr Titelbilder bei den grossen Magazinen sah, die sich kritisch mit dem auseinander setzen, was da so mit uns passiert.

So langsam glaube ich das nicht mehr, ich sehe einen Trend, den ich sehr begrüsse.
Und das aber nicht ohne selbstkritisch zu bleiben und mein eigenes Konsumverhalten zu reflektieren.


Der aktuelle Spiegel setzt sich mit dem Thema "Industrielle Ernährung" auseinander, genauer zeigt er ein Bild auf, das mal das "Grosse Ganze" beleuchten soll.
Die Zusammenhänge der globalen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten, nicht ohne einen ordentlichen, in meinen Augen sehr berechtigten Seitenhieb auf uns Konsumenten zu auszuteilen. Doch dazu später noch einmal mehr.



Ausgabe 31 vom 29.07.2013

Der Spiegel zeigt in seinem Artikel ein paar sehr technologisch anmutende Industriestätten, in denen unser täglich Essen heute entsteht. Ein grosser Unterschied zu dem, was die Fernsehwerbung suggerieren will.


REINRAUMTECHIK FÜR EIN SPEISEEIS

Grundsätzlich haben wir ein schönes, behütetes Leben in unserer Industriegesellschaft.
Vor allem beim Thema Nahrungssicherheit. Alles wird zig Mal kontrolliert, denn nichts fürchtet die Industrie mehr als einen Skandal. Das ist ein durchaus positiver Aspekt des Essens vom Fliessband. Wirklich schlimm krank wird man vom Essen nicht mehr, zumindest bezogen auf die Seuchen, die im Mittelalter noch ganze Landstriche dahin gerafft haben, wenn einmal ein Brunnen verkeimt war.
Allein - die Gefahren heute sind andere. Und sie gehören ebenso adressiert...


DER PREIS ENTSCHEIDET


In dem Bericht wird vom schizophrenen Konsumenten gesprochen, der zwar immer behauptet, regional gute Lebensmittel als positv zu empfinden, der dann aber - schon des Preises wegen - zurück schreckt, sie dann auch zu kaufen. 


Ich kann das gut verstehen. Vieles entscheidet sich heute über den Preis. Und die Marktmacht der grossen 6 - Nestle, Modelez(ehemals Kraft), Unilever, Danone, Mars und Dr. Oetker baut sich ja weiter mit jeder Papppackung weiter aus, die wir kaufen. Denn - je grösser die sind, desto mehr Druck können sie auf ihre Lieferanten ausüben, desto günstiger das Endprodukt.
Ein Kreislauf. Ich bin noch nicht sicher, ob ich den gut finde.

HILFSSTOFFE NICHT DEKLARATIONSPFLICHTIG


Weiters geht der Spiegel auf einen Teil der aktuellen Situation ein, den ich ebenfalls sehr kritisch sehe: Zusatzstoffe. Sehr interessant. Da gibt es - ich greife mal eines der Beispiele aus dem Artikel heraus - anscheinend ein eigenes Waschmittel für Erbsen, damit die Maschinen das besser verkraften und leichter zu reinigen sind nach der Verarbeitung.
Diese Hilfsstoffe seien am Ende dann zwar im Produkt, aber nicht auf der Kennzeichnung, da sie dort dann ja keine Funktion mehr hätten. Das ist der eine Teil, den ich sehr ungern sehe, denn genau betrachtet führt er die Lebensmittelkennzeichnung dann ein gutes Stück ad absurdum. Plakativ gesprochen: Ich mach Euch mal ein paar Gummiteile ins Essen, die es braucht, damit das Band läuft, schreib es Euch aber nicht dazu, weil sie mit dem Lebensmittel an sich ja nichts zu tun haben. Das ist ärgerliche Praxis, die auf den Prüfstand gehört!

ZUSATZSTOFFE


Ebenso ärgerlich finde ich den immer extensiveren Einsatz von E-Zusatzstoffen, ohne das Thema mal wirklich anzupacken. Wer sich mit Ärzten unterhält kennt die Realität. Die wachen dieser Zunft stellen nämlich immer häufiger einen Zusammenhang von allergenen Leiden mit dem übermässigen Konsum von "Schneller-Fertig-Essen" aus der Box fest. Und auch wenn ein Juckreiz auf der Haut sehr real ist und eigentlich keiner Studien bedarf:

Der Spiegel kritisiert hier völlig zu Recht einen Umstand, den ich eigentlich sehr ungeheuerlich finde. Während jedes kleine Schnupfenmittel hundertfach auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten getestet wird, hat sich offensichtlich bis heute noch niemand ernsthaft an die Erforschung von freigegebenen E-Zusatzstoffen und deren Wirkung mit anderen Mittelchen, die für eine günstigere und automatisiertere Produktion von Lebensmittel eingesetzt werden.

Immerhin scheint irgendjemand schon einmal festgestellt zu haben, dass die sehr häufig zum Einsatz kommende Zitronensäure nicht nur die Zähne angreift sondern dem Körper auch das einlagern von Metallen wie Blei und Cadmium erleichtert.

Hier besteht dringend Handlungsbedarf. Denn das Schnupfenmittel wird weitaus weniger häufig angewendet als unser tägliches Essen. Um so verwunderlicher ist es doch dann, dass für dieses ein höherer Standard angewendet wird. Hier stimmt etwas nicht.


DER KONSUMENT IST MITSCHULD


Ja, Spiegel, das sehe ich auch so. Ihr habt das sehr amüsant in einen Satz gepackt, über den ich herzlich Lachen konnte, weil es einfach Tatsache ist:

"Sie schauen Kochshows und besitzen haufenweise Kochbücher, sind oft mit der Zubereitung von Kartoffelbrei überfordert."

Touché. Wie wahr. 

Der grosse Unterschied zwischen "Ich könnte ja, wenn ich wollte" und "Ich tue." 
Zusammen mit der oben angesprochenen Preisspirale ist das ein Kern des Problems.
Aber auch die Chance - für uns Verbraucher. Denn wenn wir morgen zwei Mal mehr aus dem Gemüseangebot in den Wagen packen als von der Schachtelbox-Palette mit dem Fertigkram, wenn wir uns Zeit nehmen, eines unser Grundbedürfnisse Essen so zu befriedigen, wie es uns eigentlich selbst zustehen sollte, dann ist das die Keimzelle für einen möglichen Ausbruch aus der aktuellen Entwicklung.

Wiederkehrend wird mir erzählt, dass das Geld für gesundes Essen ja auch erst einmal aufgebracht werden müsse. Wie der Bericht aufzeigt werden seit 12 Jahren zementierte 15% des Haushaltsgeldes für Nahrungs- und Genussmittel ausgegeben. Damit hat sich das aber auch die letzten 30, 40 Jahre halbiert. Weil das Essen billiger hergestellt werden kann zum einen, aber auch weil wir diesbezüglich zu geizig sind. Eine Küche für 10.000 und mehr Euro zu Haus, aber über den Preis der Butter meckern, kritisiert der Spiegel an dieser Stelle. 


Ja. Setzen wir doch einmal die Prioritäten neu. Wie wär's?!

Meine Kaufempfehlung für diese Ausgabe

Vielen Dank, Susanne Amann, Michael Fröhlingsdorf und Udo Ludwig für diesen Bericht.

Aber bitte belasst es nicht dabei. Zu diesem Thema gibt es noch sehr viel mehr zu sagen und zu recherchieren, und Print scheint sich ja ganz gut zu verkaufen, wenn Essen auf dem Titel ist. Macht weiter damit!

Bis später

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

So nach langem Lesen bin ich jetzt mit allen Posts durch und bei deinem letzten angekommen.
Dein Blog ist sehr interessant und ich bin froh, dass ich durch ihn auf die Facebookgruppe aufmerksam geworden bin. :)
Ich freue mich auf viele weitere Posts von dir..mach weiter so! :)

Ach, schreibst du eigentlich in die Facebookgruppe, wenn du hier etwas Neues geschrieben hast?


Liebe Grüße und eine schöne Woche :)

NICO hat gesagt…

Normalerweise gebe ich einen Link dort an, wenn es relevante Infos sind...

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